Rede: Antrag „Zukunft der Stiftung Sächsische Gedenkstätten“ 30. September 202030. September 2020 Redebeitrag Dr. Claudia Maicher, FRAKTION BÜNDNISGRÜNE zum Antrag der Fraktion CDU, BÜNDNISGRÜNE, SPD, Drs. 7/3830: „Zukunft der Stiftung Sächsische Gedenkstätten“ 14. Sitzung 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 30.09.2020 TOP 9 – Es gilt das gesprochene Wort – Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, in wenigen Tagen erleben wir den 30. Tag der deutschen Einheit. Dieser Tag gibt jedes Jahr auch Anlass zur Erinnerung an die Erfahrungen im DDR-System. Aber so wichtig Feier- und Gedenktage für unser Geschichtsbewusstsein sind, so wenig genügen sie einer Erinnerungskultur, die – in der Breite der Gesellschaft und in der Tiefe der Auseinandersetzung – unsere Demokratie aus der Vergangenheit begründen kann. Einzelne Reden von Zeitzeugen haben als Rituale wenig Tragweite für die Verständigung über Geschichte und Gegenwart. Was wir darüber hinaus brauchen, sind dauerhafte Orte der demokratischen Geschichtsarbeit. Orte, an denen Geschichte nicht im staatstragenden Rahmen referiert wird, sondern aus Forschung und zivilgesellschaftlichem Engagement heraus immer wieder neu erarbeitet wird. Wo vielfältige Perspektiven einen Lernprozess ermöglichen, in dem vor allem junge Menschen überhaupt erst einen Zugang zur Geschichte des Nationalsozialismus oder der DDR-Diktatur bekommen. Gedenkstätten, authentische Orte der Gewalt und des Terrors, sind Orte des Wissens und der kritischen Auseinandersetzung mit den Verbrechen aus Sicht der Opfer. Sie unterstützen das Engagement für Menschen- und Bürgerrechte und für demokratische Grundwerte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Erinnerungskultur wollen wir in Sachsen eine Zukunft geben. Die Zukunft ergibt sich aber nicht von selbst. Nicht für junge Menschen, die keinerlei biografischen Bezug mehr zur Geschichte des Nationalsozialismus haben, denen auch immer weniger Lebensgeschichten aus der Zeit der DDR begegnen werden. Für sie schwingt mit dem Wort ‚Bautzen‘ nicht mehr das symbolische Gewicht mit, das wir im Kontext von DDR und STASI damit verbinden. Historisches Lernen funktioniert für diese Zielgruppen nur als politisches Lernen, wenn sie sich mit eigenen gesellschaftlichen Einstellungen auseinandersetzen können. Mit der Frage, was das historische Wissen mit Menschenfeindlichkeit heute zu tun hat, wo es heute Gefahren für Bürgerrechte gibt. Denn sonst macht es bei ihnen nicht ‚Klick‘. Sonst verkommt das Gedenken zu einer sich selbst genügenden Erinnerung, die ihre Wirkung verfehlt. Deshalb geht es hier nicht nur um den Erhalt von Gedenkorten oder mehr Bekanntheit für Ausstellungen. Es geht um wesentlich erweiterte Aufgaben, um zeitgemäße Methoden für die gesamte Gedenkstättenlandschaft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Sachsen eine Vielfalt erinnerungskultureller Orte und Akteure: 15 Gedenkstätten in verschiedener Trägerschaft. Weitere sind im Entstehen; Vereine, Verbände, Initiativen, Geschichtswerkstätten, die in jahrelanger Arbeit Angebote aufgebaut haben. Wir sind ihnen dafür sehr dankbar. Viele Engagierte haben ein hohes Interesse an einer Weiterentwicklung, wollen Ausstellungen modernisieren und didaktische Konzepte aufstellen. An einigen Orten gibt es bereits innovative Angebote, zum Beispiel die Stadtrundgänge zur NS-Zwangsarbeit in Leipzig oder Rollenspiele und Comic-Workshops in der Gedenkstätte Bautzener Straße in Dresden. Die sächsische Gedenkstättenlandschaft insgesamt braucht jedoch mehr Unterstützung, dem Erinnern eine Zukunft zu geben. Der Dreh- und Angelpunkt dafür ist die Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Das sächsische Gedenkstättenstiftungs-Gesetz ist seit seiner Novellierung 2012 die Grundlage dafür, dass die Stiftung die Weiterentwicklung unter Beteiligung verschiedener Interessengruppen voranbringen kann. Als Gesetzgeber wartet der Landtag jedoch seitdem auf die konkrete Ausgestaltung. Die Entwicklungskonzeption ist bis heute liegen geblieben. Es ist kein Geheimnis, dass wir GRÜNE die Stiftung in den vergangenen Jahren sehr kritisch begleitet haben, weil die Gesamtentwicklung nicht angegangen wurde. Zwar wurden einzelne neue Gedenkstätten unterstützt und die Ausstellungen in Bautzen und Torgau wurden erneuert oder ergänzt. Eine grundsätzliche Profilschärfung der Stiftung steht aber noch aus. Die Entwicklungskonzeption wird deshalb eine zentrale Aufgabe einer neuen Geschäftsführung sein. Ich bin da voller guter Erwartungen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Antrag führt auf, wie sich die Stiftung weiterentwickeln muss, um ihren gesetzlichen Auftrag zeitgemäß umzusetzen. Die Punkte beziehen sich dabei auf wesentliche Ergebnisse aus den Diskussionen der letzten Jahre. Das Hauptaugenmerk liegt auf einer modernen Bildungsarbeit. Dafür braucht es mehr pädagogische Fachkräfte, Weiterbildung und fachlichen Austausch. Ebenso wichtig ist die Vernetzung von Gedenkorten untereinander sowie die bessere Kooperation mit anderen Bildungsorten und der Wissenschaft, wie es etwa für das ‚Museum in der Runde Ecke‘ in Leipzig diskutiert wird. Wir brauchen bessere Beratung für Aufarbeitungsinitiativen. Das ist wichtig für eine zivilgesellschaftlich getragene Erinnerungskultur, wie sie in der Präambel des Stiftungsgesetzes verankert ist. Nehmen Sie das Beispiel des ehemaligen KZ-Sachsenburg. Dort hat eine solche Initiative den Gedenkort überhaupt erst erschlossen. Als Teil der Koalition sind wir uns bewusst, dass die Errichtung dieser Gedenkstätte eine hohe Priorität hat. Angesichts der gewachsenen Aufgaben sollten auch die Voraussetzungen für die Gremienarbeit innerhalb der Stiftung verbessert werden. Denn diese müssen letztlich die Entscheidung zur Ausrichtung der Gedenkstättenarbeit treffen. Das ist ein arbeitsintensiver Prozess in den geförderte Träger und Beschäftigte der Stiftung einbezogen werden sollten. Die Staatsregierung soll diesen Prozess im Stiftungsrat aktiv begleiten. Offensichtliche Schritte zur Fortentwicklung der Stiftungsarbeit müssen jetzt gegangen werden, dafür bietet nicht zuletzt die Evaluation Hinweise. Wir unterstützen Kulturministerin Barbara Klepsch bei ihrer wichtigen Aufgabe diesen Prozess als Stiftungsratsvorsitzende zu moderieren. Ich bin Ihnen, Frau Klepsch, dankbar, dass ihr Haus dabei wie bisher die Anregungen unserer Fraktion aufgreift. Als Koalition von CDU, BÜNDNISGRÜNEN und SPD richten wir den Blick nach vorne zur Stärkung der Gedenkstättenarbeit, so wie wir es im Koalitionsvertrag bereits festgehalten haben. 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