Dialog auf Augenhöhe fortführen und Vielfalt der Kultur langfristig stabilisieren

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zur Fachregierungserklärung von Staatsministerin Barbara Klepsch zum Thema „Kultur und Tourismus eröffnen Perspektiven“

65. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 1.2.2023, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

auf der Liste der vielen Vorhaben, die wir uns als Koalition 2019 aufgestellt haben, war wenig Platz für Zusätzliches. Aber es kam anders. Die Pandemie stellte alle vor ungekannte Herausforderungen.

Ich ziehe heute insgesamt eine positive Bilanz der Hilfsmaßnahmen für den schwer getroffenen Kulturbereich. Für die BÜNDNISGRÜNE Fraktion möchte ich Staatsministerin Klepsch noch einmal Dank dafür aussprechen, dass unsere Vorschläge aufgenommen und in den Programmen umgesetzt wurden. Im kulturpolitischen Miteinander haben wir nachgesteuert, wo Bruchstellen zu sehen waren.

Mein Eindruck war allerdings, dass sich die Kultur erst erkämpfen musste, auf politischer Ebene gehört zu werden.
Als 2021 der Ausgang der Pandemie immer noch ungewiss war, habe ich in vielen Gesprächen die fehlende Anerkennung und den sorgenvollen Blick in die Zukunft wahrgenommen. Aber ebenso konkrete Bedarfe und Ideen.

Wir BÜNDNISGRÜNE hatten daraufhin dafür geworben, die Bewältigung der längerfristigen Folgen der Pandemie gezielt zu unterstützen. Dies wurde u.a. im Programm KulturErhalt erfolgreich umgesetzt. Obwohl das Programm letztlich nur für eine kurze Zeit bereitstand, wurden die vom Landtag beschlossenen 16,7 Millionen Euro nahezu vollständig genutzt. Über 400 Kultureinrichtungen wurden gefördert, große private Veranstalter und kommunale Bühnen, auch etliche kleinere Vereine und Kulturinitiativen. Sie konnten daran arbeiten, Publikum, Ehrenamtliche und Personal wiederzugewinnen, digitale Konzepte oder neue Marketing- und Veranstaltungsideen aufzubauen.

Mit den Hilfsmaßnahmen haben wir, wenn man so will, auch ein Stück Geschichte geschrieben, nämlich darüber, wie Kulturförderung auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren kann. Bei aller Erleichterung über die wiedererlange Normalität, sollten wir jetzt nicht damit abschließen, sondern uns fragen, was wir mit den Erfahrungen anfangen.

Ich plädiere sehr dafür, dass wir das zügige Nachsteuern in den Normalmodus der Kulturpolitik übernehmen. Ebenso wie die Diskussion mit Kulturschaffenden auf Augenhöhe und die Einsicht, dass langfristig wirksame Entwicklungssprünge nicht nebenbei entstehen.

Trotz der vielfachen Belastung in der Pandemie haben wir wichtige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt.

Wir BÜNDNISGRÜNE sind uns bewusst, dass die solidarische Kulturraumfinanzierung die wichtigste Basis für kulturelle Vielfalt in Sachsen ist. Deshalb ist es für mich ein großer Erfolg, dass wir die Landesbühnen wieder aus der Kulturraumfinanzierung herausgenommen und die Kulturraummittel ab 2023 um 6 Millionen Euro jährlich erhöht haben. Dazu kommen die Aufstockung des Kulturpaktes, die Verstärkungsmittel für landesweite Investition, die Aufstockung des Kleinprojektefonds der Kulturstiftung und der Kulturdialog zur Erarbeitung fairer Vergütungsstandards.

Ich möchte zudem eine Reihe von strategisch wichtigen Impulsen betonen. Da wäre die nachhaltige Unterstützung der Popmusik, also der Vernetzung und Professionalisierung von Musikschaffenden, Clubs, Live-Spielstätten und Labels.

Da ist das 2021 gestartete Programm Digitalkultur der Kulturstiftung. Es setzt nicht zuerst auf technische Fragen, sondern erschließt das künstlerische und konzeptionelle Potenzial digitaler Technologien. Es fördert als innovatives, erforschendes Programm gleichzeitig Recherchen und Vernetzung.

Mit der Verstetigung der Provenienzforschung in den staatlichen Kunstsammlungen und der Einführung einer Provenienz-Koordinierungsstelle für öffentliche Bibliotheken kommen wir der Verantwortung zur Aufarbeitung von Verbrechen in der Kolonialzeit, des Nationalsozialismus und der DDR nach.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn wir auf den Fahrplan schauen, den der Koalitionsvertrag darstellt, befinden sich neben diesen Erfolgen weitere Vorhaben auf halber Strecke. Andere gehen gerade an den Start und einige sind bisher liegen geblieben. Und auch darüber sollten wir heute sprechen.

Auf halber Strecke sehe ich beispielsweise die Kulturelle Bildung. In einem Fachgespräch im letzten Herbst hat meine Fraktion die weiteren Schritte mit Verbänden und Einrichtungen diskutiert. Dazu gehören eine strukturelle Verankerung der Netzwerkstellen Kultureller Bildung. Das leistet die überarbeitete Förderrichtlinie noch nicht. Auch die Förderung der Jugendkunstschulen muss noch weiter verbessert werden, da die Kriterien gerade für den Neuaufbau von Jugendkunstschulen im ländlichen Raum zu hohe Hürden setzen. Entscheidend ist die weitere Untersetzung des Landeskonzeptes. Ich habe viele gute Vorschläge gehört und empfehle der Staatsregierung sehr, diese Stimmen ernst zu nehmen. Das könnten wir jetzt gemeinsam weiterführen.

An den Start geht nun nach den Haushaltsänderungen des Landtags die landesweite Entwicklungsplanung für die öffentlichen Bibliotheken als Beteiligungsprozess. Auch die Museumskonzeption steht vor der Überarbeitung. Hier geht es jeweils darum, bestehende Strukturen zeitgemäß weiterzuentwickeln. Das gilt auch für die Gedenkstättenstiftung, deren Fördertätigkeiten wir als Landtag ab 2023 mit zusätzlich einer halben Million Euro jährlich gestärkt haben. Bereits 2021 hatten wir die Mittel für Gedenkstättenpädagogik aufgestockt. Entwicklung bedeutet hier z.B. Qualifizierung und Weiterbildung, Öffnung der Gedenkorte für Kooperationen. Alles mit dem Ziel, das Erinnern an Nationalsozialismus und DDR-Diktatur lebendig zu halten und einen aktiven Beitrag zum Schutz unserer Demokratie zu leisten.

Liegen geblieben sind bisher Themen wie die transkulturelle Öffnung und die Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im Kulturbereich. Da es hier nicht zuerst um finanzielle Fragen, sondern um konzeptionelle Überlegungen, intensiven Austausch und praxistaugliche Leitlinien geht, hoffe ich, dass diese Themen nicht in der Schublade bleiben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

zu einer Bilanz gehört auch die Betrachtung der öffentlichen kulturpolitischen Debatte. Diese war selbstverständlich stark von der Pandemie geprägt. Aber auch Themen, wie der Einbruch ins Grüne Gewölbe erhalten viel Aufmerksamkeit, während drängende Zukunftsthemen oft nur wenig Beachtung finden.

Womit wir uns auch beschäftigen müssen, sind die fortwährenden Angriffe von Rechts auf unsere Kultur. Wie oft haben wir hier erlebt, dass die AfD die inhaltliche Arbeit von Kultureinrichtungen unter staatliche Kontrolle bringen will, weil sie nicht in ihr verknöchertes Weltbild passt. Kunstfreiheit wird umgedeutet, als könne Kunst – per Befehl – unpolitisch sein. Missliebige Kultureinrichtungen sollen finanziell ausgetrocknet werden. Das zeigt, wie gnadenlos die AfD die Axt an einen Eckpfeiler der Demokratie legen würde. Als BÜNDNISGRÜNE stehen wir fest dazu: Auch Kulturpolitik muss für eine wehrhafte Demokratie einstehen.

Aber wo bleiben die Zukunftsthemen? Ich werde oft gefragt: Wie geht es nach den Hilfsprogrammen weiter? Natürlich müssen wir die aktuellen Krisen im Blick behalten. Deshalb bin ich sehr froh, dass der Kulturfonds Energie der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, nun kommt. Der Bund hat vorgelegt, jetzt kann die Staatsregierung einen zügigen Programmstart umsetzen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

das zentrale Thema ist jetzt Strukturstärkung. Der Wert von Kultur besteht – vor allen wirtschaftlichen Effekten – darin, gesellschaftlichen Wandel zu diskutieren und Perspektiven zu eröffnen. Damit sie das kann, muss Kulturpolitik ihr, Perspektiven für ihre Weiterentwicklung anbieten. Nur so kann sie eine aktive Rolle bei der Gestaltung der gesellschaftlichen Transformationen einnehmen, von der Entwicklung des ländlichen Raums, über die Förderung von Demokratie und Zusammenhalt bis zur Unterstützung von Nachhaltigkeit im Zuge der Klimakrise.

In den nächsten Jahren sehe ich als zentrale Aufgabe die Vielfalt der Kultur langfristig zu stabilisieren. Die Erhöhung der Kulturraummittel war ein wichtiger Zwischenschritt. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen jetzt nicht mehr diskutieren, ob, sondern wie wir eine Dynamisierung gemeinsam mit den Kommunen umsetzen. Der Landtag hat in seiner Entschließung zum Bericht des Kultursenats die Koordinaten für die Evaluation des Kulturraumgesetzes vorgegeben. Ein weiterer Schwerpunkt muss darin liegen, den Kulturdialog zu einer Einigung auf Standards für faire Vergütung zu führen.