Wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung „Gesetz zum Dritten Medienänderungsstaatsvertrag Drs 7/11327

69. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 26.4.2023, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

nachdem die Zustände im RBB im letzten Jahr aufgedeckt wurden, hat die öffentliche Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch einmal deutlich an Brisanz zugenommen. Zu Recht wurden Konsequenzen gefordert. Die Länder steuern nun nach, der 4. Medienänderungs-Staatsvertrag hat die Landtage bereits erreicht. Heute geht es um den 3. Medienänderungs-Staatsvertrag und damit um die Grundfrage, welche Aufgaben der öffentlich-rechtliche Rundfunk heute und in Zukunft wahrnehmen soll.

Leider muss ich feststellen, dass auch heute wieder am Thema vorbeigeredet wird. Manche können sich eine Auftragsreform eben nur als Eindampfen vorstellen. Das Ziel der Beitragsstabilität wirkt dabei doch etwas vorgeschoben. Da geht es doch eher um die Botschaft, den Öffentlich-Rechtlichen endlich einen Riegel vorschieben zu wollen.
Die künftige Rundfunkfinanzierung ist selbstverständlich ein wichtiges Thema, das ist aber heute nicht dran. Damit bekommt man vielleicht mehr Beifall, die Zukunftsfähigkeit einer tragenden Säule der Demokratie schiebt man so aber zuverlässig aus dem Blickfeld.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte daran erinnern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur dann seine Funktion für die Demokratie erfüllen kann, wenn er mit der gesellschaftlichen und medialen Entwicklung mitgeht. Die Anstalten müssen ihre Angebote dringend reformieren, um eine breite Akzeptanz und Nutzung zu erreichen. Dafür muss die Politik einen passenden Rahmen setzen.

Wir BÜNDNISGRÜNEN haben hier immer wieder darauf hingewiesen und das mit eigenen Fraktionsbeschlüssen unterlegt, dass es neben der Effizienzsteigerung eine zeitgemäße Angebotsentwicklung braucht.

Wir können nicht hinnehmen, dass Teile der Gesellschaft nicht erreicht werden und die gesellschaftliche Vielfalt zu wenig abgebildet wird.

Die öffentlich-rechtliche Qualität ist unverzichtbar in einer digitalen Welt, in einer sich rasant wandelnden, krisengeprägten Gesellschaft, in einer Zeit, in der Falschmeldungen und immer weiter umgreifender Populismus an der Tagesordnung sind.

Ein zentraler Punkt des Staatsvertrages betrifft den Auftrag. Er wird nicht gänzlich neu definiert, sondern geschärft. Oberstes Ziel ist eine breite Zielgruppenstrategie und ein hoher Qualitätsanspruch. Unterhaltung bleibt ein wichtiger Angebotsbereich, soll aber weniger auf Massengeschmack und Quote fixiert sein. Gerade mit fiktionalen Formaten können breitere Bevölkerungsgruppen mit meinungsbildenden Angeboten erreicht werden – jenseits von verbaler Auseinandersetzung zwischen Politik, Wissenschaft und Interessengruppen. Wir BÜNDNISGRÜNEN begrüßen vor allem auch die stärkere Ausrichtung auf Kinder, Jugendliche und junge Menschen, auf Inklusion sowie die Vielfalt der Lebensrealitäten in unserem Land.

Dass nicht nur die Inhalte stärker am Gemeinwohl orientiert werden, sondern auch das Auffinden der Inhalte, wird zu einer neuen Schlüsselfunktion der Öffentlich-Rechtlichen innerhalb des dualen Mediensystems. Der Staatsvertrag hebt deshalb auf Empfehlungsalgorithmen ab, die nicht die Aufmerksamkeitslenkung der Tech-Konzerne nachahmen, sondern vielfältige Perspektiven sichtbar machen und gesellschaftlicher Spaltung entgegenwirken.

Durch die Flexiblisierung der Ausspielwege werden einzelne Spartenkanäle nicht mehr von der Politik festgelegt. Die Anstalten entscheiden künftig selbst, wie sie welche Zielgruppen erreichen, ob über lineares Programm oder zeitunabhängige Abrufangebote und internetspezifische Angebote.
Es ist gut, dass das nicht als Sparprojekt angelegt ist.
Ich will es klar sagen: Das hier ist kein Kostensenkungs-Staatsvertrag. Und das ist gut so! Der ÖRR soll durch die Flexibilisierung auch nicht größer werden – aber besser. Er muss den neuen Handlungsspielraum für eine zielgenaue, effiziente und datenbasierte Verbreitungsstrategie nutzen. Und zwar übergreifend über den gesamten öffentlich-rechtlichen Verbund. Wie man auf bisher noch wenig erreichte Zielgruppen zugeht und neue Formate erprobt, dafür kann die Entwicklungsstrategie des MDR ein Vorbild sein.

Die Entwicklung hin zu einer gemeinsamen Plattform ist ein wesentlicher Faktor für das Gesamtgewicht am Medienmarkt. Es kommt dabei aber auch auf eine gute Wahrnehmbarkeit regionaler Inhalte und themenspezifischer Angebote an sowie auf bedarfsgerechte Verweildauern.Uns GRÜNEN fehlt bei der Plattformstrategie noch die Kooperation mit weiteren Anbietern von Public Value-Inhalten. Die Verknüpfung mit anderen öffentlich finanzierten Inhalten, z.B. von Museen, Theatern, Wissenschaft und Zivilgesellschaft hat großes Potenzial.

Wir begrüßen die stärkere gesellschaftliche Beteiligung an der Angebotsentwicklung, indem die Gremien entsprechende Maßstäbe aufstellen. Die Leistungsfähigkeit der Gremien wird dann zusammen mit Regelungen zu Transparenz und Compliance im 4. Medienänderungs-Staatsvertrag Thema sein. Der effiziente Umgang mit den Beitragsgeldern durch Bündelung von Verwaltung und Programmaufwand sowie Regelungen zur Finanzierung werden in weiteren Staatsvertragsverfahren zu klären sein.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

der heute vorliegende Staatsvertrag gibt als wichtiger Zwischenschritt innerhalb der Gesamtreform einen Modernisierungsschub hin zu einem zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Dienst des Gemeinwohls. Dieser ist unverzichtbar für die demokratische Meinungsbildung. Wir werden deshalb zustimmen.