Hochschulen und Corona – mit Umsicht aus der Krise

Angelehnte Fahrräder mit Hoorsaalgebäude am Campus Augustusplatz (Uni Leipzig) im Hintergrund

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Studierende und Lehrende nicht vergessen – Perspektive für Studium und Lehre an Hochschulen unter Corona-Bedingungen entwickeln“ Drs 7/5869

33. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 24.06.2021, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,

Studierende sind von der Corona-Pandemie mit am härtesten getroffen. Und sie sind am wenigsten präsent in der öffentlichen Debatte, die ganzen 1,5 Jahre schon.
Seit mehr als drei Semestern können sie ihre Hochschulen nicht mehr zum Studium betreten, nicht mehr gemeinsam lernen, neue Kommiliton*innen kennenlernen, Auslandssemester planen, Ideen weiterentwickeln und zusammen feiern.
All das, was zum Studium, zum Über-den-Tellerrand-schauen für uns ganz selbstverständlich war, ist für sie angehalten und auf digital umgestellt.
Dazu kommt, dass viele in finanzielle Not geraten sind, weil viele klassische Studentenjobs durch die Corona-Pandemie weggefallen sind.

Die Überbrückungshilfe des Bundes kamen viel zu spät, waren unzureichend und gingen an vielen Studierenden komplett vorbei. Man hatte den Eindruck, Bundesbildungsministerin Karliczek hat die Überbrückungshilfe so konzipiert, dass damit möglichst wenige Studierende unterstützt werden. Diese Ignoranz gegenüber jungen Menschen ist ein großes Versäumnis dieser Bundesregierung.

Für viele Studierende wird sich das Studium verlängern, ohne dass sie dafür die Verantwortung tragen.
Und deshalb war es richtig, dass wir in Sachsen im letzten Herbst die individuelle Regelstudienzeit aufgrund der Corona-Pandemie für zwei Semester gesetzlich verlängert und weitere Verlängerungen – zur Not auch für das kommende Wintersemester ermöglichen. Das schafft Planbarkeit und Sicherheit.

Wir alle sehnen uns nach langfristigen Gewissheiten und Orientierung, sind aber dennoch abhängig vom ungewissen Fortgang der Pandemie.

Die baldige Rückkehr aller Hochschulmitglieder in Präsenz ist absolut wünschenswert und muss nachdrücklich als Ziel verfolgt werden. Das ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, nicht nur derjenigen, die unmittelbar an Hochschulpolitik Interesse und Verantwortung tragen.

Um die im Antrag geforderte Strategie erarbeiten zu können, müssten auch alle in Betracht kommenden Risiken und Ereignisse kalkuliert werden können. Sie liegen aber nicht ausschließlich in der Hand der Hochschulangehörigen. Durch die schnelle Abfolge von Ereignissen in der Pandemie, die man bestenfalls als Prognose erahnen kann, ist eine zielgerichtete Planung, die auf ein bestimmtes Datum oder Ereignis hinarbeitet, schwerer möglich.

Zudem sind die Hochschulen als Masseneinrichtungen nicht gleichgerichtet steuerbar und abhängig vom Geschehen in ihrem jeweiligen Umfeld. Daher ist Umsicht und situationsangepasstes Agieren, abgestimmt auf die jeweiligen Bedürfnisse vor Ort und auch innerhalb der Studiengänge, der erfolgsversprechende Weg.

Hochschulen können nicht termingebunden hoch -und runtergefahren werden, nur weil ein Plan das vorsieht. Und was wird aus diesem einen Plan, wenn die Bedingungen zum Wintersemester wieder ganz andere sind?

Wichtig ist aber das Entwickeln von vorsorgenden langfristigen Maßnahmeplänen. Diese Analyse ist nach Abklingen der Pandemie sehr sinnvoll.

Seit Beginn der Pandemie finden regelmäßige Gespräche zwischen allen Statusgruppen an den Hochschulen statt. Dort, wo der Bedarf besteht, weitere Gesprächspartner mit an den Tisch zu holen und Entscheidungsperspektiven auszuloten, kann das im Rahmen der Hochschulautonomie geschehen.

Die bisher erfolgten Studierendenbefragungen an den einzelnen Hochschulstandorten vermitteln ebenfalls ein differenziertes Bild vom Umgang und der Zufriedenheit mit dem aktuellen Studien- und Lehrbetrieb.
Die Befunde variieren nicht nur von Hochschule zu Hochschule, sondern sind auch abhängig vom jeweiligen Studiengang und nicht zuletzt immer auch abhängig vom Zugang und der Gestaltung der digitalen Lehre.

Bestehende Probleme müssen für alle und unter Priorisierung von besonders schutzwürdigen und abbruchgefährdeten Studierenden gelöst werden. Daher teilen wir BÜNDNISGRÜNE die Ansicht, dass es tragfähige Konzepte geben muss, die die Wiederaufnahme des Lehr -und Studienbetriebs in geschützter Präsenz und unter dem Einsatz von Testmöglichkeiten und Nachverfolgung ermöglichen.

Die Studierenden haben in den letzten 3 Semestern große Entbehrungen erfahren müssen und gleichermaßen große Solidarität gezeigt. Es kommt jetzt darauf an, dass alle Studierende ein Impfangebot erhalten, um auch auf diesem Weg wieder einen normaleren Studienalltag abzusichern.

Eines ist dennoch klar, die Auswirkungen der Pandemie werden uns noch länger beschäftigen. Zur Abfederung der Folgen und zum Entwickeln von langfristigen Perspektiven sind auch die eingestellten Mittel im Doppelhaushalt 2021/22 vorgesehen.

Mit der Weiterentwicklung des Hochschuldidaktischen Zentrums zum Kompetenzzentrum für digitale Bildung sind wichtige Weichen gestellt, die didaktischen Fähigkeiten der Lehrenden nicht nur für die online-basierte Lehre zu stärken.
Die Forschungsförderung soll wichtige Themen von gesellschaftlichem Interesse fokussieren und dem Freistaat auf diese Weise eine krisenfestere Vorsorge ermöglichen.
Die Studierendenwerke erfahren einen Aufwuchs insbesondere für ihre sozialen Dienste, wo nicht zuletzt die psycho-soziale Beratung eine tragende Rolle spielt.
Über die Mittel des Zukunftsvertrages sind insbesondere auch der Ausbau von unbefristeten Beschäftigungsperspektiven und die Vermeidung von Studienabbrüchen ein zentraler Aspekt.

Alles in allem, befinden wir uns auf einem situationsangepassten und verantwortungsbewussten Weg, der den Versuch unternimmt die unterschiedlichen Interessen auszubalancieren und Lösungen ermöglicht. Je mehr die Pandemie zurückgedrängt und beherrscht werden kann, desto mehr kann die bekannte Normalität auch an den Hochschulen wieder gelebt werden. Das ist unser aller Interesse. Daran arbeiten wir als Koalition. Und dazu trägt Ihr Antrag nichts zusätzlich Substantielles bei. Deswegen stimmen wir ihm auch nicht zu.

Vielen Dank.