Medienänderungsstaatsvertrag: Medienangebote barrierefreier gestalten

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Gesetz zum Zweiten Staatsvertrag zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge“ (Drs 7/8749)

50. Sitzung des 7. Sächsischen Landtages, Donnerstag, 5.5.2022, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

Menschen mit Behinderung stoßen im Alltag immer wieder auf Barrieren, die ihnen eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe erschweren. Dabei geht es um bauliche Barrieren und es geht auch um kommunikative Barrieren für Menschen mit Sinnesbeeinträchtigung.

Für uns BÜNDNISGRÜNE ist Barrierefreiheit ein wichtige gesellschaftliche Herausforderung. Wir wollen die Gesellschaft so organisieren, dass sie allen Menschen die Möglichkeit gibt, sich gleichberechtigt und selbstbestimmt darin zu bewegen und sie mitzugestalten. Deshalb müssen wir auf allen Ebenen „Tempo machen für Inklusion“, so wie es meine Kollegin Petra Čagalj Sejdi in der Aktuellen Debatte gestern zum Ausdruck gebracht hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir begrüßen ausdrücklich, dass in diesem Medienänderungsstaatsvertrag die Medienanbieter strenger in die Pflicht genommen werden und mehr Barrierefreiheit in den Medien durchgesetzt wird.
Denn Medien stellen einen wichtigen Bereich gesellschaftlicher Teilhabe dar. Das Meiste, was wir über die Welt wissen, erfahren wir über Medien. Medien prägen unser Weltbild. Sie sind Quelle für die politische Meinungsbildung und Mittel für Meinungsäußerung und demokratische Teilhabe. Damit das für alle Menschen gleichberechtigt möglich ist, müssen Medienangebote auch für alle Menschen gleichermaßen zugänglich, auffindbar und nutzbar sein.

Bereits mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Jahr 2009 haben wir uns in Deutschland dazu verpflichtet, den barrierefreien Zugang zu Medien umzusetzen. Diesem Anspruch wollen wir gerecht werden. Das blieb bei der Umsetzung des Medienstaatsvertrags jedoch als eine große medienpolitische Baustellen offen. Der zweite Medienänderungsstaatsvertrag geht jetzt den Schritt und dient zugleich der Umsetzung der EU-Richtlinie über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen („European Accessibility Act“).

Die neuen Regeln weisen den Rundfunkveranstaltern eine besondere Rolle beim Abbau von Diskriminierungen zu. Neu eingeführt werden aber auch Anforderungen an Dienste, die den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten ermöglichen. Hier geht es vor allem um die barrierefreie Auffindbarkeit von Inhalten. Die Berichtspflicht von Medienanbietern wird ausgeweitet. Bekanntmachungen im Kontext von Naturkatastrophen müssen in jedem Fall barrierefrei sein.

Barrierefreiheit heißt dabei – und das ist eine ganz grundlegende Erweiterung – dass nicht nur einzelne, möglicherweise leicht realisierbare Maßnahmen der Barrierefreiheit verpflichtend sind, sondern alle unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen von Nutzerinnen und Nutzern berücksichtigt und mit den jeweils aktuellen technischen Mitteln umgesetzt werden müssen. Neben Untertiteln und Gebärdensprache also zum Beispiel auch leichte Sprache oder Bildbeschreibungen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir müssen auch darüber reden, dass zum finalen Entwurf des Staatsvertrages noch Kritik besteht. So wies der Sozialverband VDK darauf hin, dass es auf klare und verlässliche rechtliche Vorgaben ankommt und dass die Entwicklung am Medienmarkt wirksam überwacht werden muss. Befürchtet wird, dass Berichtspflichten zu wenig konkret und die Maßnahmen zur Umsetzung zu wenig verbindlich sind.

Wir BÜNDNISGRÜNE nehmen diese Kritik sehr ernst. Zwar enthält die EU-Richtlinie bereits klare Vorschriften. So sind z.B. die Ausnahmetatbestände für Dienste, die Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten ermöglichen, durchaus beschränkt. Aber die Verfahren der Behörden, mit denen konkrete Ausnahmegründe anerkannt werden oder eben nicht, müssen erst noch entwickelt werden. Die Regeln müssen sich in der Praxis erst noch beweisen.

Als Gesetzgeber müssen wir die Entwicklung weiter begleiten und aufpassen, dass die Hintertür der Unverhältnismäßigkeit nicht so weit offen steht, dass es zieht. Die Kollegin Hanka Kliese wird dazu noch den entsprechenden Entschließungsantrag der Koalition einbringen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Zweite Medienänderungsstaatsvertrages ist gewiss ein Kompromiss zwischen 16 Ländern, aber er ist auch ein wichtiger Zwischenschritt. Er stützt sich auf ausführliche Anhörungen der Rundfunkkommission der Länder und eine intensive Auseinandersetzung mit den Belangen der Menschen mit Behinderungen. Er enthält zudem notwendige redaktionelle Anpassungen. Wir BÜNDNISGRÜNE werden dem zustimmen.