Aktuelle Debatte zu BAföG: Die Novelle im Bund gibt nicht allzu viel Anlass zum Feiern.

Presse − Landtagsreden
Datum: 31.01.2019

Redebeitrag der Abgeordneten Claudia Maicher zur 1. Aktuellen Debatte der Fraktionen CDU und SPD:
„BAföG-Reform – bessere Unterstützung für sächsische Studierende, Schülerinnen und Schüler“, 31. Januar, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

ganz offenbar ist bei der Koalition der Wahlkampf ausgebrochen. Anders ist es nicht zu erklären, wieso sie eine Aktuelle Debatte, die landespolitische Themen aufgreifen soll, das BAföG zum Thema hat. Aber jetzt ist nun einmal gerade eine BAföG-Novelle im Bund in Bearbeitung, die sie heute feiern möchten. Und das obwohl diese Novelle gar nicht allzu viel Anlass zum Feiern gibt.

Aber dann lassen Sie uns doch mal schauen, wie es in Sachsen mit dem BAföG aussieht. Ich habe mir die Zahlen des Statistischen Bundesamtes angeschaut. Bei den Studierenden haben wir von 2015 bis 2017 jedes Jahr ungefähr 2000 weniger geförderte Personen gehabt. 2017 waren es nur noch 32.000 Studierende, die überhaupt BAföG erhalten haben. Von 109.000 Studierenden, die das Statistische Landesamt für 2017 ausgibt. Bei den Schülerinnen und Schülern sind im gleichen Zeitraum fast 2000 Personen aus der Förderung gefallen, 2017 waren es hier nur noch 15.984 Empfängerinnen und Empfänger.

Für diese Entwicklung gibt es einen ganz einfachen Grund: Das Gesetz zur Bundesausbildungsförderung und die Behäbigkeit, die die CDU/SPD-Regierung im Bund bei diesem Thema an den Tag legt. Die letzte Novelle ist nach langem Zögern 2016 in Kraft getreten und sollte 110.000 zusätzlich Geförderte bringen. Stattdessen sind zwischen 2014 und 2017 180.000 SchülerInnen und Studierende aus der Förderung gefallen – das musste die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage meines Berliner Kollegen Kai Gehring erst diese Woche einräumen.

Woran liegt das? Das liegt zum Beispiel an den veralteten Einkommensgrenzen des Elternhauses, bis zu denen jemand überhaupt BAföG erhalten kann und die immer mehr Familien überschreiten, ohne dass sie deshalb plötzlich vermögend wären.
Das liegt daran, dass BAföG bei Studierenden normalerweise nur bis zum Ende der Regelstudienzeit gezahlt wird, obwohl bundesweit wie auch in Sachsen nur 37% das schaffen, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Das liegt an den Altersgrenzen von 30 bzw. 35 Jahren bis zu denen BAföG gezahlt wird. Und es liegt daran, dass z.B. für ein Teilzeitstudium gar kein BAföG gezahlt wird.

Aber auch wer BAföG erhält, kann sich nicht sicher sein, dass das Geld auch zum Leben reicht. Die Mietkostenpauschale von derzeit 250 Euro reicht mitunter nicht einmal mehr für ein Zimmer in den Studierendenwohnheimen – geschweige denn auf dem normalen Mietmarkt in den großen Städten.

Es gäbe beim BAföG also genug zu reparieren, damit es wirklich zu der >>besseren Unterstützung<< kommt, die der Titel ihrer Aktuellen Debatte verheißt. Ihre KollegInnen im Bund haben in ihrem Koalitionsvertrag ja sogar eine >>Trendwende<< beim BAföG versprochen.
Davon kann nun aber wirklich keine Rede sein. Ja, es gibt in der Novelle, wie sie jetzt vorliegt, einige Verbesserungen. Die Anhebung der Bedarfssätze und der Einkommensfreibeträge zum Beispiel.

Aber schon allein, dass alles in Stufen passiert und erst zum Wintersemester dieses Jahres überhaupt losgehen soll, bedeutet doch, dass die Hängepartie für viele Studierende und SchülerInnen weitergeht. Und während dieser Zwischenzeit hören Inflation und Lebenshaltungskosten ja nicht plötzlich auf, zu steigen. Am Ende stehen die Studierenden wieder genauso gut oder schlecht da, wie bisher. Warum haben SPD und CDU nicht endlich den Mut, die Sätze in Zukunft automatisch anzupassen, statt immer wieder erneut langwierig zu novellieren und damit der Entwicklung ständig hinterher zu hinken?

Bildungsministerin Karliczek hat in der Fragestunde des Bundestages zu der geplanten Novelle gestern selbst zum ersten Mal Zielzahlen genannt, das hatte die Bundesregierung bisher verweigert. Sie meinte, die Zahl der BAföG-EmpfängerInnen wäre um etwas mehr als 100.000 zurückgegangen. Aber als sie gefragt wurde, wie viele zusätzlich Geförderte die Bundesregierung sich von ihrer Novelle denn nun erhofft, gab sie ebenfalls nur ca. 100.000 mehr Geförderte an. Das wäre dann also selbst mit den Zahlen der Bundesregierung nur ein Null-Summen-Spiel. Und das ist dann die versprochene Trendwende?

Davon ist nichts zu sehen. Es bleibt vieles wie es ist:
– An den Altersgrenzen wird nicht gerüttelt.
– Teilzeitstudiengänge sind bei der Förderung nach wie vor außen vor.
– Es gibt keine dynamische Anpassungen.
– Die Verbesserungen wirken viel zu spät.

Die Anhebung der Wohnpauschale auf 325 Euro ist mit Sicherheit besser als nichts. Aber sie wird auch in Sachsen ganz unterschiedlich wirken, je nachdem in welcher Stadt man studiert. Wenn der Wohnungsmarkt sich in den großen Städten weiter so entwickelt wie bisher, ist in kurzer Zeit von der segensreichen Wirkung der Erhöhung wieder nicht viel übrig.

Es wäre sinnvoller, wenn es eine regionale Staffelung der Wohnungskosten gäbe, wie die GRÜNEN im Bundestag erst vor einem Jahr in einem Antrag zum BAföG vorgeschlagen haben.