Bericht Kultursenat – Wegweiser für die Weiterentwicklung unserer landesweiten Kultur

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum „Ersten Bericht des Sächsischen Kultursenats zum Vollzug des Sächsischen Kulturraumgesetzes“ (Drs 7/8400)

53. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 13.07.2022, TOP 9

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,

den Landtag erreichen in jeder Wahlperiode eine Vielzahl von Berichten mit gesetzlicher Grundlage. Und natürlich wird immer die Frage gestellt: Was folgt eigentlich aus den Analysen und Empfehlungen? Welche politischen Reaktionen löst ein solcher Bericht aus?

Ich finde es ausgesprochen wichtig, dass wir heute im Plenum diese Debatte führen, auch wenn der Kulturausschuss sich bereits sehr intensiv mit dem Bericht des Kultursenats befasst hat.

Zur Lage der Kultur haben wir hier in den Jahren der Pandemie schon wiederholt diskutiert. Dabei ist offenbar geworden, was passiert, wenn es still wird und Kultur ihre gesellschaftliche Funktion plötzlich nicht mehr erfüllen kann.

Der vorliegende Bericht geht allerdings weit über die akute Notlage hinaus. Er widmet sich dem Kulturraumgesetz als einem Herzstück sächsischer Kulturpolitik und der langfristigen Entwicklung und Förderung der Kulturangebote in allen Kulturräumen im Freistaat Sachsen, vom Vogtland bis in die Oberlausitz.

Wir BÜNDNISGRÜNE danken den Kultursenatorinnen und -senatoren sehr für ihre wichtigen Impulse, für die klare Formulierung des Handlungsbedarfs, auch der Schmerzpunkte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

lassen Sie uns diesen Bericht jetzt nicht zu den Akten legen. Diskutieren wir, welche politischen Schritte jetzt zu unternehmen und welche vorzubereiten sind. Lassen Sie uns die Empfehlungen als Wegweiser nutzen, um die Weiterentwicklung unserer landesweiten Kultur konsequent anzugehen.

Für meine Fraktion möchte ich ausführen, welche kulturpolitischen Schlüsse wir ziehen.

Zunächst einmal ganz grundsätzlich. Wir können uns als Freistaat weiter auf die Errungenschaft des Kulturraumgesetzes stützen. Bald 30 Jahre nach Einführung dieses sächsischen Weges der solidarischen Kulturfinanzierung stellen wir fest: Es funktioniert.

Es steht nicht zuletzt für einen breiten demokratischen Konsens, dass Kultur kein Sahnehäubchen ist. Eine funktionierende kulturelle Infrastruktur wird als elementare Grundlage für ein gutes Zusammenleben anerkannt.

Die Lebendigkeit unserer Kultur entsteht durch Handeln vor Ort in eigener Regie. Das Gesetz schafft regionales Bewusstsein und Verantwortung. Es ist ein solides Fundament für regionale kulturelle Vielfalt.

Deshalb wollen wir BÜNDNISGRÜNE mit diesem Pfund weiterarbeiten. Auch wenn mir in letzter Zeit aus der Kulturszene häufiger auch skeptische Töne zu Ohren kommen, sicherlich ausgelöst durch die schweren Belastungen in der Pandemie. Ob die Strukturen auf dieser Grundlage noch haltbar sind? Ob das Gesetz mit der Zeit mitgehen kann?

Meine Antwort ist: Ja – wenn wir es an die Gegebenheiten anpassen!

Und damit sind wir bei der Frage, wie wir den beschriebenen Konsens in vorausschauendes Handeln umsetzen.

Gerade Kultur ist eine wichtige Ressource für die Bürgerinnen und Bürger, um gesellschaftliche Transformation für sich erfahrbar zu machen und als gestaltbar zu erleben. Dafür müssen sich Kultureinrichtungen und -initiativen von Soziokultur über Bibliotheken und Kunstorten bis hin zur Musikkultur auch auf den Wandel und sich verändernde Rahmenbedingungen einstellen können.

Sie müssen gestärkt werden zum Beispiel für den Umgang mit dem Fachkräftemangel. Für den Aufbau von Nachwuchs in Strukturen, die aus bürgerschaftlichem Engagement aufgebaut wurden und weiter darauf angewiesen sind. Junge Initiativen schaffen neue, eigene Strukturen, die der jungen Generation mehr entsprechen, sich aber erst etablieren müssen. Generell hat die Veränderung der Rezeption von Kultur in der digitalen Mediengesellschaft Auswirkungen auf die kulturellen Angebote. Dies kann man durch neue Publikumsstrategien nutzbar machen. Junge Menschen erreicht man nicht allein durch bessere Werbung, sondern indem sich Kulturangebote auf ihre Umgangsformen einlassen und mehr Beteiligung ermöglichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Kultur muss sich weiterentwickeln, um sich stabilisieren zu können. Deshalb müssen wir uns darüber im Klaren sein: Das Kulturraumgesetz ist, wenn wir es genau so lassen würden, wie es jetzt ist, auf Dauer nicht zukunftsfähig. Wir müssen es so fortschreiben, dass sich unsere kulturelle Vielfalt angesichts der verschiedenen Herausforderungen fortentwickeln kann.

Und dabei hilft uns der vorliegende Bericht. Auf die aus unserer Sicht wichtigsten Punkte möchte ich näher eingehen.

Jährliche Kostensteigerungen sind unausweichlich, wenn es um die Finanzierung von Strukturen geht. So schreibt es der Kultursenat. Er konnte aus der ehrenamtlichen Arbeit heraus keine Datengrundlage zur detaillierten Entwicklung der Kosten in den Kulturräumen liefern, das wird eine Aufgabe im Rahmen der Evaluation des Kulturraumgesetzes sein. Aber selbstverständlich stellen die Tarifentwicklung und die allgemeine Inflation eine Herausforderung dar, mit der die Kommunen nicht allein gelassen werden dürfen. Der Freistaat solle regelmäßig finanziell mitziehen und auch die Kofinanzierung durch die kommunale Seite ermöglichen. Das kann ich nur so bestätigen.

Eine Annäherung an eine faire Vergütung ist dabei keine rein sozialpolitische Aufgabe. Natürlich geht es um Gerechtigkeit, die wir im Land herstellen müssen. Dazu kommt aber, dass bei schlechter Vergütung auch die Qualität unserer Kultur leidet und schließlich auch der Bestand an sich. Denn die Entwicklung des Arbeitsmarktes sorgt dafür, dass man nicht z.B. ein freies Kulturzentrum oder ein kommunales Museum bei schlechter Bezahlung leitet, ohne mal zu Seite zu schauen. Erst recht, wenn dann die Familie sagt, schau doch mal was es noch für Stellen gibt, mit denen wir viel besser dastünden. Diese Lage müssen wir sehr ernst nehmen!

Die Entwicklungsfähigkeit ist also zum Teil eine finanzielle Entwicklungsfähigkeit.

Seit Jahren steht eine Dynamisierung der Kulturraummittel im Raum. Sie wäre eine verlässliche Grundlage für die Fortsetzung der solidarischen Finanzierung durch Freistaat und Kommunen. Der Kultursenat nutzt hierfür den treffenden Begriff des „Mechanismus“, um längerfristig absehbare Anhebungsschritte zu beschreiben, die auch die Kofinanzierung für die Kulturräume planbar macht.

Ein weiterer Anpassungsbedarf wird bei der Verwendung der vorhandenen Mittel gesehen. Bei den Strukturmitteln spricht sich der Senat ebenfalls für eine bessere Planbarkeit aus, zudem für eine eigenständige Bewirtschaftung der Mittel. Das unterstütze ich ausdrücklich.

Man muss sich schon die Frage stellen, welche Aufwendungen heute für die Stabilisierung der Strukturen benötigt werden. Heute geht es weniger um Fusionen von Orchestern und Theatern. Die Phase der Fusionen ist flächendeckend abgeschlossen. Eine weitere Zusammenlegung schließt der Kultursenat mit großer Deutlichkeit aus. Wenn man hier weitermacht, höhlt man den Grundgedanken aus, dass Kultur in der Region entsteht.

Heute geht es unter anderem um Transformationsprozesse in den Kultureinrichtungen. Sie stehen vor Aufgaben wie Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb, Digitalisierung, stärkere Kooperationen und Publikumsgewinnung. Damit sie diese Aufgaben systematisch und langfristig wirksam angehen können, braucht es Unterstützung bei der Konzeption und bei der Implementierung. Das wäre in den Händen der Kulturräume gut aufgehoben, denn sie können die Bedarfe am besten vor Ort bestimmen.

Ein besonderes Anliegen für uns BÜNDNISGRÜNE ist die nachhaltige Verankerung der Netzwerkstellen für kulturelle Bildung. Diese haben eine dauerhafte Schlüsselfunktion in den Kulturräumen inne. Dazu passt die kurzfristige, kettenartige Projektfinanzierung längst nicht mehr. Der Kultursenat spricht sich für eine Prüfung aus, ob die Förderung der Netzwerkstellen künftig direkt im Kulturraumgesetz festgeschrieben und finanziert werden kann. Dem müssen wir uns annehmen!

Der Bericht enthält weitere Hinweise, die kulturpolitisch aufgegriffen werden sollten: Etwa zur breiten gesellschaftlichen Beteiligung an den Förderentscheidungen, regelmäßige Wechsel bei den Fachbeiräten, aber auch mehr Attraktivität der Mitwirkung. Oder zu Verbesserungen bei den Verfahren und Berechnungsgrundlagen für die Sitzgemeindeanteile.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Zukunft unserer Kultur hängt ganz entscheidend von der Anpassung des Kulturraumgesetzes als ein Kernelement sächsischer Kulturpolitik ab. Als Koalition nehmen wir diese Verantwortung an. Mit einem Entschließungsantrag werden wir die Empfehlungen des Kultursenats aufgreifen.

Vielen Dank!