Gedenkstättenstiftungsgesetz – Maicher: Wir brauchen historische Lernorte, um unsere Demokratie zu sichern

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Zweites Gesetz zur Änderung des Sächsischen Gedenkstättenstiftungsgesetzes“ (Drs 7/15648)

89. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch 12.06.2024, TOP 13

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,

es ist gut, dass wir am Ende dieser Legislatur noch einmal über die Gedenkstätten reden. Denn für diese müssen wir nicht allein aus einer historischen Verantwortung heraus Sorge tragen. Wir brauchen sie nicht zuletzt, um unsere Demokratie zu sichern!

In einer Zeit, in der faktenfreie Vergleiche mit der DDR-Diktatur oder dem Nationalsozialismus Alltag sind, in der die Vereinnahmung von Geschichte unsere politische Kultur zerstören soll, um eigene Umsturzpläne zu befördern – in dieser unserer Gegenwart brauchen wir vielfältige historische Lernorte und engagierte Menschen in der demokratischen Geschichtsarbeit. Sie setzen den autoritären Lösungen eine fundierte Auseinandersetzung entgegen.

Wir BÜNDNISGRÜNEN wollen deshalb politisch-historische Bildung weiter stärken und dem Erinnern eine Zukunft geben.

Heute geht es um eine kleine Novelle des Gedenkstättenstiftungs-Gesetzes. Die Staatsregierung tut gut daran, das in dieser Form seit 2012 bestehende Gesetz in Übereinstimmung mit dem zu bringen, was von der Stiftung inzwischen erreicht wurde.

Das ist vor allem die Übernahme der Gedenkstätte zu Ehren der Euthanasieopfer in Großschweidnitz in die Trägerschaft der Stiftung. Ihr Werdegang zeigt übrigens, dass es sinnvoll sein kann, die bestehende Struktur der Stiftung zu erweitern, wenn ein Gedenkort nicht allein von einer zivilgesellschaftlichen Initiative oder einzelnen Kommune betrieben werden kann. Das können und sollten wir als Gesetzgeber nachvollziehen.

Die Verankerung des Lern- und Gedenkortes Kaßberg-Gefängnis in der institutionellen Förderung ist ebenso wichtig. Eine logische Konsequenz der erfolgreichen Arbeit des Trägervereins.

Die herausragende Bedeutung der Gedenkstätte in Chemnitz haben nicht nur wir in Sachsen erkannt, sondern auch die Jury des Karl-Wilhelm-Fricke-Preises der Bundesstiftung Aufarbeitung. Dieser wird morgen in Berlin verliehen. Meinen ganz herzlichen Glückwunsch!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Anhörung im Kulturausschuss hat auch die weiteren Anpassungen bei der Gremienorganisation bestätigt.
Was wir gleichzeitig mitnehmen, ist eine breite Zustimmung dafür, dass sich das Gesetz als Rechtsgrundlage für wirksame und entwicklungsfähige Strukturen der Gedenkstättenarbeit in Sachsen bewährt hat.

Als Herausforderung hat sich jedoch die zeitgemäße Umsetzung des Gesetzes herausgestellt. Das ist durch die aktuelle Situationsbeschreibung und eine ganze Reihe von Anregungen für strukturelle Verbesserungen deutlich geworden.

Dabei fand ich es schon beeindruckend, wie sehr die Stiftung und Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen Erinnerungsbereiche an einem Strang ziehen. Bereiche, die sich früher teils konkurrierend gegenüberstanden, wirken heute gemeinsam an der Fortentwicklung der Gedenkstättenlandschaft. Ich bin sehr froh, dass diese Spaltung überwunden ist und die gemeinsamen Herausforderungen, auch gemeinsam angepackt werden. Das ist ein großer Fortschritt in diesem Land!

Ein deutlicher Beleg für das neue kooperative Zusammenwirken ist das am 13. Mai einstimmig vom Stiftungsrat beschlossene Entwicklungskonzept der Stiftung. Es steht für ein neues Selbstverständnis im Sinne einer Öffnung für lebendige Formen des Erinnerns in einer diversen, digitalen und polarisierten Gesellschaft, für mehr Vernetzung und Beteiligung.

Es macht deutlich, wie stark unsere Erinnerungslandschaft von den vielfältigen Initiativen und Orten profitiert, insbesondere auch von der professionellen Vernetzung und fachlichen Arbeit der LAGs, den konzeptionell modernisierten Gedenkstätten in freier Trägerschaft ebenso wie von den mit großer Kraft und Engagement wirkenden Gedenkstätten innerhalb der Stiftung.

Ich möchte Geschäftsführer Dr. Markus Pieper, dem Stiftungsrat und allen Beteiligten dafür danken, dass der Landtag nun erstmals eine Planungsgrundlage für die weitere Entwicklung der Stiftung in der Hand hat.

Als Koalition von CDU, BÜNDNISGRÜNEN und SPD haben wir uns mit einem Antrag zu Beginn der Legislatur für die Stärkung der Gedenkstätten und ebendiese Erarbeitung von Perspektiven eingesetzt. Wir haben zunächst die Personalstellen für Bildungsarbeit in den Gedenkstätten aufgestockt und den Förderetat der Stiftung ab 2023 um eine halbe Million Euro pro Jahr erhöht. Das war ein richtiger und wichtiger erster Schritt.

Wie soll es weitergehen? Das Entwicklungskonzept und die Anhörung geben Auskunft. Beispiele:

  • Die Stabilisierung der geförderten Einrichtungen und Vorhaben angesichts von Kostensteigerungen.
  • Vor allem auch die Absicherung der drei Bürgerarchive in Leipzig, Großhennersdorf und Werdau durch eine institutionelle Förderung.
  • Der Ausbau der Gedenkstättenpädagogik und von Angeboten zur Fortbildung für geförderten Einrichtungen und Initiativen – eine Schlüsselaufgabe, um junge Generationen zu erreichen!
  • Die personelle Ausstattung der Geschäftsstelle für die vielfältigen Aufgaben der Förderung, Vernetzung, Beratung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir BÜNDNISGRÜNE stehen bereit, die Ressourcen- und Personalausstattung den Herausforderungen entsprechend in der kommenden Wahlperiode zu verstärken. Wir werden auch die einzelnen weiteren Vorschläge aus der Anhörung für eine Fortschreibung des Gesetzes mitnehmen.

Der gesetzliche Rahmen wird im Zuge der Umsetzung des Entwicklungskonzeptes weiter zu überprüfen sein.

Zum vorliegenden Entwurf bitte ich um Zustimmung. Vielen Dank.