Zukunftszentrum als riesige Chance für die Stärkung der Demokratie

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zur Dritten Aktuellen Debatte der CDU-Fraktion „Sachsen – das Land der friedlichen Revolution. Das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation gehört nach Plauen und Leipzig“

57. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 22.09.2022,TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation ist eine riesige Chance für die Auseinandersetzung mit den Umbrüchen und ihren weitreichenden Folgen, für die Stärkung der Demokratie und den Zusammenhalt in Europa.

Dieses Zukunftszentrum – kann sich endlich vertieft mit den Fragen der Transformation auseinandersetzen, die in den letzten 30 Jahren liegen geblieben sind. Und es kann sich diesen Fragen aus verschiedenen Blickwickeln nähern.

Ein solches Zentrum schafft Sichtbarkeit für Themen, die nicht nur Ostdeutsche betreffen. Damit dieses Zukunftszentrum tatsächlich seinen Zweck erfüllen und möglichst viele Menschen aus ganz Europa erreichen kann, muss es an einem historisch authentischen Ort aufgebaut werden, der für sich steht.

Und welche Orte könnten authentischer sein als Leipzig und Plauen, an denen eben jene Transformationsprozesse durch mutige Menschen ihren Anfang nahmen?

Noch heute ist das Erbe der Friedlichen Revolution und der Montagsdemos in Leipzig mit seiner starken Zivilgesellschaft spürbar. Noch heute sind die vielfältigen Transformationsprozesse sichtbar oder dauern fort, die das Gesicht der Stadt, aber auch von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik nach 1989 veränderten.

Eine große Chance ist auch, mit dem Zukunftszentrum den mittel- und osteuropäischen Blick wieder in das Zentrum rücken – Leipzig steht dafür und hat tiefe Verbindungen nach Kiew, den Ereignissen auf dem Maidan, zu Belarus und der Oppositionsbewegung, die heute für Freiheit und Demokratie kämpft.

Auch wenn diese Perspektive und die Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte Ende der 1980er Jahre aus dem Fokus vieler Ostdeutscher gerückt ist, gilt es doch gerade jetzt nicht nur beim ostdeutschen, beim sächsischen Blick zu verharren, sondern in Gänze auf Osteuropa und die Entwicklungen zu schauen.

Die multiplen Krisen unserer Zeit bewegen und verändern unsere Gesellschaft. Sie erfordern Transformationen in vielen Bereichen, die rasanter und umfassender kaum sein könnten. Für den Blick in eine teils ungewisse Zukunft kann ein Blick zurück besonders wertvoll sein.

Was kann uns muss das Zentrum Leipzig – Plauen leisten?

Einen Dialog führen, der eigentlich die letzten 30 Jahre hätte geführt werden müssen.

Es muss Menschen erreichen, mobil sein statt verharren: dazu ist eine gemeinsame Bewerbung mit geplanten mobile Zukunftszentren-Satelliten bestens geeignet (es wird kein Leipzig-Zentrum, oder Plauen-Zentrum sein, sondern Menschen verbinden, Orte verbinden, Themen verbinden) und deswegen ist es gut, dass auch Chemnitz an Bord ist.

Das Zentrum muss ein Ort für Begegnung werden, in dem Menschen aus ganz Deutschland und Europa zusammenkommen und sich austauschen. Kunst und Kultur können hier einen wichtigen Beitrag leisten, diese Erfahrungen auch für jüngere Generationen erlebbar zu machen.

Und mit seiner hohen Dichte an Wissenschaftseinrichtungen schafft Leipzig beste Voraussetzungen für eine international vernetzte Erforschung sozialer, kultureller, politischer, ökologischer und wirtschaftlicher Transformationsprozesse. Auch die Universität Leipzig unterstützt die Bewerbung von Leipzig und Plauen mit ihrer wissenschaftlichen Expertise.

Es muss die nötige Sichtbarkeit und Strahlkraft haben. Das verdienen all die Menschen und ihre Geschichten, die sich für Demokratie und Freiheit hier und in Europa eingesetzt haben oder noch heute einsetzen.

Die vielen Gelder, die der Bund jetzt bereitstellt, sind keine Strukturwandelhilfen. Sie sind aber auch nicht gedacht für Nabelschau und Heldentum. Es soll kein Museum entstehen. Sondern etwas Neues:

Orte, an denen das Wissen um Transformation in ihren ganzen Dimensionen (und zwar politische, soziale, wirtschaftliche, ökologische, kulturelle) und Transformationserfahrungen sichtbar gemacht werden,

Orte an denen der Diskurs über Folgen der Umbrüche intensiviert wird,

Orte die nicht nur selbstreferenziell wirken, sondern die mittel- und osteuropäischen Bewegungen viel stärker als in den letzten 30 Jahren in den Blick nehmen.

Dafür können Leipzig und Plauen stehen. Deshalb unterstützen wir als sächsische BÜNDNISGRÜNE hier im Landtag, genauso wie in Leipzig, Plauen und Berlin die gemeinsame Bewerbung von Leipzig und Plauen als Standort für das Zukunftszentrum und freuen uns, dass dies nun auch andere Koalitionspartner mit dieser Debatte heute hier bekräftigen.