Übergabe von Originaldokumenten an die Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig

Von Maria Wardyniec blieben ein Koffer, wenige Fotos und die Briefe, die sie aus dem Arbeitslager in Leipzig an ihre Familie in Polen schrieb. In einem Brief bat sie um ein schwarzes Kleid, die traditionelle Bekleidung für das Totenbett. Als 17-Jährige hatte sich Maria Wardyniec freiwillig zum Arbeiten in Deutschland gemeldet, nicht ahnend, zusammen mit 10.000 weiteren Zwangsarbeiter*innen in ein Arbeitslager der HASAG Leipzig zu gelangen. Ab 1942 arbeitete sie sieben Tage in der Woche in der deutschen Kriegsindustrie, bevor sie 1944 mit 19 Jahren an Lungentuberkulose starb.

Elzbieta Kowalczyk-Böckmann, die Nichte Maria Wardyniecs, übergab heute drei Originalbriefe und zwei Fotos ihrer Tante an die Gedenkstätte Zwangsarbeit. Erinnerungen und Zeugnisse der ehemaligen Zwangsarbeiter*innen sind eine der wenigen Quellen, die die Situation bei der HASAG während des zweiten Weltkriegs zeigen und daher besonders wertvoll für die Arbeit der Gedenkstätte.

Die Gedenkstätte für Zwangsarbeit erinnert an die Geschichte des Zwangsarbeitseinsatzes in Leipzig. Schwerpunkt ist die Firma HASAG , der damals größte Rüstungskonzern Sachsens. Die Gedenkstätte steht als Anlaufstelle für ehemalige Zwangsarbeiter*innen und deren Angehörige zur Verfügung, erforscht noch unbeleuchtete Aspekte des Themas und sammelt historische Zeugnisse. Neben der Dauerausstellung gibt es ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm, das unter anderem Stadtteilrundgänge auf den Spuren von NS-Zwangsarbeit umfasst.

Als kulturpolitische Sprecherin der GRÜNEN Fraktion setze ich mich seit Jahren für bessere Förderung der Gedenkstätte ein. Es braucht mehr aktive Erinnerungskultur, um für künftige Generationen Geschichte aus erster Hand erlebbar zu machen. Gedenkstätten bieten Zeitzeugen und ihren Angehörigen einen Ort, an dem das persönlich erfahrene Unrecht im kollektiven Bewusstsein aufgehoben wird. Zwangsarbeit während des NS-Regimes ist ein Teil unserer Geschichte, der nicht verdrängt werden darf, besonders in einer Zeit, in der erneut Rassismus und Nationalismus aufflammen. Deshalb habe ich Elzbieta Kowalczyk-Böckmann heute morgen in mein Abgeordnetenbüro eingeladen, um mehr über das Schicksal Ihrer Tante zu erfahren und sie anschließend gemeinsam mit der Autorin Anna Kaleri zur Übergabe der Dokumente an die Gedenkstätte zu begleiten.

Der MDR berichtet heute Abend ab 19:00 Uhr im MDR Sachsenspiegel über das Treffen in der Gedenkstätte.