Rede zum GRÜNEN Freifunk-Prioritätenantrag

Diese Rede finden Sie hier im Video.

Rede der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher zum Prioritätenantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dem Titel „Freifunk in Sachsen fördern – Bürgernetzwerke stärken“
49. Sitzung des Sächsischen Landtags, 2. Februar, TOP 3, Drs 6/7694
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Herr Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,

die technischen Entwicklungen der digitalen Welt gehen mit einem rasanten Wandel von Alltag und Gesellschaft einher. Wir erleben es mittlerweile mehrfach innerhalb einer Generation. Das, was heute noch visionär erscheint, wird morgen schon als ganz normal empfunden.

Die Zeiten, in denen man abends am Personalcomputer einmal seine E-Mails abruft, sind so gesehen noch nicht lange her, trotzdem erscheint das vielen als längst überkommen. Auch viele von uns Abgeordneten nervt es, wenn wir an manchen Orten kein Netz haben. Wenn man viel damit arbeitet, mit Social Media, mit Clouddiensten etc. ist die Erwartungshaltung da, immer und überall im Netz sein zu können. Dieser Bedarf entsteht gerade in viele Bevölkerungsgruppen. Je mehr die analoge und die digitale Welt verwoben werden, ob in Beruf, Freizeit oder Bildung, desto notwendiger ist eine lückenlose Internetanbindung. Desto mehr ist sie allgemeine Lebensgrundlage. Aktuell können sich das aber gar nicht alle Menschen leisten. Teilweise reden die Menschen schon von Glück, wenn der Internetanschluss zu Hause einigermaßen brauchbar ist.

Ein umfassender Ausbau kostenloser WLAN-Netze ist notwendig. Wenn wir heute unseren Antrag „Freifunk in Sachsen fördern – Bürgernetzwerke stärken“ diskutieren, geht es uns aber noch um mehr. „Freifunk“, das heißt nicht nur frei von Kosten. „Frei“ bezieht sich auf frei von den Einschränkungen privater Anbieter zum Beispiel bei Übertragungskapazitäten. Frei heißt auch, dass niemand fragt, wer sich wann und wo anmeldet.

Technisch geht das über eine dezentrale Struktur, bei der mehrere WLAN-Router zu einer „Wolke“ verbunden werden. Dieser besteht nicht nur aus einzelnen Einwahlpunkten, sondern WLAN-Knoten die Daten untereinander austauschen und damit ein größeres lokales Netz bilden können.

Auch in Sachsen gibt es bereits z.B. in Chemnitz, Dresden, Leipzig, in Mittelsachsen, im Vogtland und Erzgebirge ehrenamtliche Freifunk-Initiativen, die ihre Netzwerke mit entsprechender Unterstützung wesentlich ausbauen könnten.

Ganz beachtlich finde ich, wie übergreifend die Engagierten dort denken. Nehmen wir einmal Freifunk Mittelsachsen. Die Initiatoren haben nicht nur in ihrem direkten Umfeld, Waldheim und Hartha, Knotenpunkte aufgebaut, sondern ihr Netz über viele Städte ihm Umland gespannt. Zwischen Grimma, Döbeln und Mittweida haben sie Mitwirkende gefunden, die WLAN-Router betreiben und einen Teil ihres Internetvolumens ihren Mitmenschen zur Verfügung stellen. Ihnen geht es eben nicht nur um kostenlosen Zugang, sondern selbstorganisierte und unabhängige Infrastrukturen und um sozialen Austausch.

Genau dieser Freifunk-Ansatz wird in anderen Bundesländern bereits gefördert. NRW und Niedersachsen als Flächenländer sind schon recht weit dabei. Die Freifunkförderung ist dort seit 2016 Bestandteil der regulären Breitbandförderung.

In Thüringen läuft gerade ein größeres kommunales Pilotprojekt in Gera. Und auch in Sachsen-Anhalt haben CDU, SPD und GRÜNE Anfang 2016 festgelegt, Freifunk auf Liegenschaften des Landes zu errichten und die Unterstützung von Freifunk-Initiativen zum Regierungsprogramm erklärt.

Diese Aktivitäten machen es deutlich: Eine gezielte Förderung, Informationen und der Abbau von Hürden sind notwendig, denn ganz aus eigener Kraft wachsen die Bürgernetze nicht so wie erwünscht.

Zunächst geht es uns um Aufklärungsarbeit. Es wäre sehr hilfreich, wenn die Engagierten mit kompakten Handreichungen und den darin vom Freistaat verbürgten Ideen an Entscheidungsträgerinnen und -trägern aber auch Privatpersonen herangehen könnten. Schließlich kennen sich viele Bürgermeisterinnen und Stadträte kaum mit solchen Dingen aus, was für die Akzeptanz keine gute Voraussetzung ist.

Der zentrale Ansatzpunkt ist die Förderrichtlinie „Digitale Offensive Sachsen DiOS“ des SMWA (Punkt 3). Die Mitfinanzierung von WLAN-Hotspots ist als zweite Säule darin zwar schon verankert. Aber die Engführung auf touristisch relevante Orte muss endlich aufgehoben werden. Sie wurde noch von Staatsminister Martin Duligs Vorgänger Sven Morlok und der FDP eingeschrieben. Wir schlagen vor, die Richtlinie für WLAN entsprechend des Freifunk-Ansatzes zu öffnen.

Auch die Bildungsfunktion der Freifunkinitiativen sollte der Freistaat unterstützen, indem sie ihre Aktivitäten selbsttätig ausbauen können oder aber mit den bestehenden Strukturen der Medienkompetenzvermittlung im Bereich des Kultusministeriums oder der Landesmedienanstalt zusammenarbeiten.

Die Staatsregierung soll selbst mit gutem Beispiel vorangehen und Freifunk an zunächst 100 staatseigenen Gebäuden einrichten und darüber hinaus weitere eigene Liegenschaften für die Installation von Freifunk zugänglich machen. Das kann der Bekanntheit und der Akzeptanz von Freifunk enormen Auftrieb verleihen.

Nach wie vor haben die Freifunkinitiativen mit rechtlichen Rahmenbedingungen zu kämpfen, für deren Anpassung sich der Freistaat auf Bundesebene einsetzen soll. So ist die fehlende Anerkennung der Gemeinnützigkeit nicht nur eine Formalität, sondern erschwert vor allem das Einwerben von Spenden und schafft steuerliche Lasten. Zweitens muss das eben erst novellierte Telemediengesetz um rechtliche Klarstellungen ergänzt werden.

Von der Stellungnahme der Staatsregierung, für die Staatsminister Dr. Fritz Jaeckel zeichnete, waren wir nun durchaus positiv überrascht. Herr Jaeckel hat nicht nur keine Bedenken, sondern macht auch bereits Anmerkungen, wie es konkret weitergehen könnte, etwa bei Pilotprojekten. Diese Stellungsnahme stimmt uns hoffnungsvoll, dass hier womöglich beim Wissenstand aufgeholt wurde und Freifunk im Freistaat ernst genommen wird.

Ob das jetzt nur von Herrn Jaeckel so gesehen wird oder wie weit das auch Herr Dulig teilt bzw. wie Sie sich in der Koalition darüber verständigt haben – ich bin gespannt was Sie dazu berichten.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag!