Rede zum Antrag Evaluation der Stiftung Sächsische Gedenkstätten

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Diesen Redebeitrag finden Sie auch hier im Video.

Redebeitrag der Abgeordneten Claudia Maicherer zum Antrag (Die Linke):
„Evaluation der Stiftung Sächsische Gedenkstätten“ (Drs. 6/4433)
30. Sitzung des Sächsischen Landtags, 16. März 2016, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

Die Gedenkstättenarbeit hat gerade vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse in Sachsen eine besondere Bedeutung. Sie ist wichtig.
Deswegen ist es richtig, dass wir heute darüber öffentlich im Plenum und nicht nur im Ausschuss debattieren.

Die Aufgaben der Sächsischen Gedenkstätten sind im Gesetz festgeschrieben. Sie umfassen die Erinnerung, die Dokumentation und Erforschung und die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Diktatur ebenso wie die der SED-Diktatur. Die Stiftung hat zudem seit 2012 einen klaren Bildungsauftrag.

Nur durch einen aufgeklärten und reflektierten Umgang mit der eigenen Vergangenheit kann die Wiederholung historischer Fehlentwicklungen verhindert werden. Weil diese Arbeit für meine Fraktion ein wichtiger Beitrag für eine historisch-politisch und ethisch gebildete demokratische Gesellschaft ist, haben wir uns für die Erschließung weiterer Gedenkorte, wie z.B. den Kaßberg in Chemnitz engagiert und einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Aufarbeitung der SED-Diktatur vorgelegt.

Eine Vielzahl von Vereinen, Ehrenamtlichen und Gedenkstätten, sowohl in eigener Trägerschaft als auch institutionell gefördert, tragen dazu bei, vielerlei Unrecht, was in der Vergangenheit in Sachsen geschehen ist, aufzuarbeiten.

Aber statt eines breiten, öffentlichen Diskurses über die aktuellen Herausforderungen, über die Auseinandersetzung mit der politischen Vergangenheit Sachsens, über die inhaltliche Arbeit der Gedenkstätten, über das Engagement auch der Gedenkinitiativen, die nicht per Gesetz gefördert werden, dominiert zur Zeit die Berichterstattung über interne Querelen der Stiftung, gerichtliche Auseinandersetzungen, Entlassungen von Mitarbeiterinnen und private politische Meinungen, die über den Twitter-Account der Stiftung verbreitet werden. Allein dieser Zustand schadet der gesamten Stiftung und aller für Gedenkkultur Engagierten in Sachsen.

Im Herbst 2012 endete eine beschämende Phase der sächsischen Gedenkstättenpolitik mit der Neufassung des Gedenkstättengesetzes.
Fraktionsübergreifend und in enger Abstimmung mit den Opferverbänden beider Diktaturen wurde es eingebracht.
Die GRÜNE-Fraktion hat aber schon damals darauf aufmerksam gemacht, dass allein eine Novellierung des Gesetzes nicht ausreicht. Notwendig sind die konstruktive Umsetzung innerhalb der Stiftung und eine entsprechende finanzielle Ausstattung.
Der Geist des Gesetzes muss in die alltägliche Arbeit einfließen. Dafür ist die Geschäftsführung verantwortlich.

Um diesen Geist des Gesetzes auch umzusetzen, braucht es vier konkrete Veränderungen der Stiftungsarbeit:
1. Transparenz über die Verwendung des Stiftungsgelds für Gedenken, Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit Diktaturen und Herrschaftssystemen und deren Verbrechen muss selbstverständlich sein.
Wird der Stiftungszweck erfüllt? Welche Projekte werden nicht ausreichend befördert und warum?

2. Wir brauchen eine öffentliche Debatte über die sächsische Gedenkkultur, heute kann ein Anfang dafür sein. Vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse sollte in Sachsen eine stärkere Auseinandersetzung mit beiden Diktaturen gefördert werden. Wenn jetzt von allen Seiten richtigerweise eine stärkere politische Bildung gefordert wird, muss das auch für die Aufarbeitung der Verantwortung der Täter und die Würdigung von Widerstand und Opposition während der NS-Diktatur zählen.
Die Antworten auf meine bereits zitierte Anfrage legen ein Defizit hinsichtlich der Zeit des Nationalsozialismus offen. Die Projektmittel der Stiftung werden zu einseitig für den Themenbereich sowjetische Besatzung und SED-Diktatur ausgereicht. Gerade einmal 14,5 Prozent dieser von der Geschäftsführung zu vergebenden Projektmittel werden für die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus zur Verfügung gestellt. Dieser Anteil sinkt zudem weiter.

3. Es ist Aufgabe der Stiftung, Projekte auch aktiv zu befördern, Initiativen zu unterstützen, Kooperationen mit Ehrenamtlichen zu stärken. Auch Sie, Frau Ministerin Stange, müssen sicherstellen, dass der Zeit des Nationalsozialismus in der sächsischen Erinnerungspolitik, zumindest hinsichtlich der Finanzierung von Projekten und Maßnahmen durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten, in Zukunft wieder eine stärkere Rolle zukommt.

4. Wir brauchen in Sachsen endlich eine ordentliche Gedenkstättenkonzeption der Stiftung. Die Erarbeitung wird seit 2011 verschleppt. Bis heute liegt kein Entwicklungskonzept vor. Im Kulturausschuss konnte die Ministerin nicht einmal einen Fahrplan zur Erarbeitung darlegen. Das ist ein Versäumnis und unterstreicht die Defizite in der Gedenkstättenstiftungsleitung.

Die Probleme liegen auf dem Tisch. Jetzt muss gehandelt werden: Es braucht mehr Transparenz, mehr Öffentlichkeit, eine Debatte über Gedenkkultur, eine Haltung der Stiftungsleitung, ein positiveres Verständnis von Stiftungszugehörigkeit, eine Auswertung der offensichtlichen Missstände innerhalb der Stiftung.
Nach unserem Eindruck scheint die aktuelle Gedenkstättenstiftungsleitung dazu nicht willens oder in der Lage zu sein. Ebenso wenig kann sie mit legitimer Kritik umgehen, schon Fragen scheinen an ihrer Stellung zu rütteln. Dabei ist es die Aufgabe von Parlamentariern, Fragen zur Stiftungsarbeit zu stellen. So wie es Aufgabe von Ministerin Dr. Stange ist, als Stiftungsratsvorsitzende Verantwortung zu übernehmen.
Notwendig ist vor allem eine ausgeglichene Förderung der NS-Zeit und die Erarbeitung einer bis heute verschleppten Gedenkstättenstiftungs-Konzeption.

Eine externe Evaluation, wie sie heute im vorliegenden Antrag gefordert wird, kann eine Möglichkeit sein, die aktuelle Auseinandersetzung auf sachlicher und wissenschaftlicher Basis zu führen. Das kann in einer solchen Situation nie verkehrt sein. Deswegen wird meine Fraktion diesem Antrag auch zustimmen.