Verfasste Studierendenschaft endlich in voller Stärke zurück

Claudia Maicher während Rede im Plenum des Sächsischen Landtags

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zur Zweiten Beratung des Entwurfs „Gesetz zur Stärkung der ärztlichen Versorgung im Freistaat Sachsen“ Drs 7/6673

37. Sitzung des 7. Sächsischen Landtages, Donnerstag, 30.09.2021, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,

mit dem Sächsischen Landarztgesetz legt die Staatsregierung EINEN Baustein für eine bessere regionale Versorgung insbesondere im hausärztlichen Bereich vor. Die Landarztquote ist damit eine zusätzliche Maßnahme, um bestehende und zukünftig drohende Mangelbedarfe in bestimmten Facharztdisziplinen abzufedern.

Der Zugang zu bestens ausgebildeten und engagierten Ärztinnen und Ärzten darf nicht vom Wohnort abhängig sein. Klar ist aber auch, dass weiterhin ein umfassender Ansatz zur Stärkung und Entwicklung des ländlichen Raumes als attraktiver Lebens- und Arbeitsort verfolgt werden muss, um die bleibende Niederlassung und Verwurzelung der Landärztinnen und Landärzte in der Region sicherzustellen.

In die Landarztquote, von 6,5% der in der Vorabquote verfügbaren Studienplätze, sollen zukünftig rund 35 Medizinstudierende pro Studienjahr immatrikuliert werden. Sie verpflichten sich, im Gegenzug zu der Begünstigung mit einem der knappen und begehrten Studienplätze, im Anschluss an ihre fachärztliche Weiterbildung mit Schwerpunkt in der hausärztlichen Versorgung, ihre Tätigkeit für 10 Jahre in Regionen mit besonderen Bedarfen auszuüben. Diese Begünstigung muss zu ihrer Rechtfertigung gegenüber allen Bewerberinnen und Bewerbern, die keinen Studienplatz erhalten konnten, mit einem Strafversprechen abgesichert werden.

Wir möchten, dass gerade diejenigen Menschen sich auf die Landarztquote bewerben, die voller Überzeugung in den ländlichen Regionen Sachsens praktizieren und sich dort dauerhaft niederlassen wollen. Um dieses Angebot so attraktiv wie möglich zu gestalten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, ist es laut Gesetz auch zulässig die Tätigkeit aus besonderen sozialen, familiären oder gesundheitlichen Gründen auch in Teilzeit durchzuführen.

Und um auch den veränderlichen fachlichen Neigungen besser entsprechen zu können und die Bewerberinnen und Bewerber in ihrer beruflichen Entwicklung nicht über Gebühr einzuschränken, ist es möglich innerhalb der ersten 12 Monate nach Beginn der Facharztausbildung einen Wechsel in ein anderes Bedarfsgebiet zu vollziehen. Wir wollen die am besten geeignetsten Bewerberinnen und Bewerber gewinnen. Landärztinnen und Landärzte absolvieren keine gesonderte Ausbildung, sondern sind Medizinstudierende wie alle anderen auch und sind mit denselben Herausforderungen in Studium und Praxis konfrontiert.

Gelegentlich wurde die Befürchtung geäußert, aufgrund der Vorabquote gäbe es einen Qualitätsrabatt und die zukünftigen Landärztinnen und Landärzte würden ihren beruflichen Werdegang direkt mit einem Stigma beginnen. Diesem Eindruck muss klar entgegengetreten werden und daher misst sich das Auswahlverfahren streng an dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterium der Eignung und ist strukturiert, standardisiert und transparent zugleich ausgestaltet.

Weil alle diese Maßnahmen mit einem Strafversprechen abgesichert sind, ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen unerlässlich, die Wirkung und die Rechtfertigung des Gesetzes kontinuierlich zu überprüfen. Für einen derart massiven Eingriff in die Berufsfreiheit muss es fortwährend gute Gründe geben. Daher wird das Gesetz kontinuierlich evaluiert, um erfahrungsbasiert mögliche Anpassungen vornehmen zu können.

Der Gesetzgeber erkennt seine besondere Schutz- und Fürsorgepflicht gegenüber den Verpflichteten der Landarztquote an und gibt sich daher die Selbstverpflichtung über das Weiterbestehen des Gesetzes im Jahre 2033 zu befinden. Bis dahin gibt es an vielen Stellschrauben die Gelegenheit für eine umfassende Stärkung des ärztlichen Berufsbildes und der Erhöhung der Attraktivität in vom Mangel bedrohten Disziplinen tätig zu werden.

Eine gezielte Stärkung von praktischen Studienanteilen in eben diesen Disziplinen muss mit einer kontinuierlichen Entwicklung des ländlichen Raumes einhergehen, damit über die verpflichtende Niederlassungszeit hinaus eine dauerhafte Lebensperspektive der Landärztinnen und Landärzte sowie ihrer Angehörigen in den ländlichen Regionen Sachsens eröffnet wird. Denn die Landarztquote ist kein Allheilmittel.

 

Und jetzt komme ich zum zweiten, wichtigen Teil des Gesetzes:

Art. 2 des Gesetzes widmet sich ebenfalls einem dringend notwendigen Thema, nämlich der Stärkung der Studierendenschaften. Denn heute wird endlich die Austrittsoption aus der verfassten Studierendenschaft im Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetz wieder abgeschafft.

Eine Forderung, die Hochschulleitungen, die Landesrektorenkonferenz, Mittelbau genauso wie die Konferenz Sächsischer Studierende mit uns als damalige Oppositionsfraktion wie auch jetzt als Regierungsfraktion geteilt haben.

Damit wird ein seit 2013 bestehender Irrweg beendet und ein grundsätzliches Bekenntnis zu unserem demokratischen und solidarischen Gemeinwesen ausgesprochen. Aus der demokratischen Verfasstheit, aus der Demokratie gibt es keinen Austritt.

Die Absicherung der vielfältigen gesetzlichen Aufgaben der Studierendenschaft und ihr Einsatz für die hochschulischen und sozialen Belange der Studierenden bedingen eine verlässliche Prognose über die Anzahl ihrer Mitglieder und damit auch der ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel.

Ab dem Sommersemester 2022 werden nun die Studierendenschaften wieder vollzählig aus allen immatrikulierten Studierenden einer Hochschule gebildet und damit ist es ihnen möglich mit einer ungeteilten Stimme als legitimierter Ansprechpartner gegenüber den Hochschulleitungen und externen Akteuren zu sprechen.

Die innere Verfasstheit und die demokratische Teilhabe an unseren Hochschulen erfährt damit eine Stärkung und nicht zuletzt wird eine gute Verhandlungsposition hergestellt. Zum Beispiel um zukünftig über einen Beitrag zu einer klimabewussten und preiswerten Mobilität aller sächsischen Studierenden in Form eines sachsenweiten Semestertickets verhandeln zu können.

Dies ist ein guter Tag für Sachsens Studierende und unsere Hochschulen. Vielen Dank.

 

Weitere Informationen:

>> Pressemitteilung zur Abschaffung der Austrittsoption aus verfasster Studierendenschaft (13.09.2021)

>> Pressemitteilung Landarztgesetz – Nur ein Instrument zur Sicherung der ärztlichen Versorgung (06.07.2021)