Sachliche Medienkritik und Reformdebatten statt Schmutzkampagnen gegen öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zur dritten Aktuellen Debatte auf Antrag der AfD-Fraktion „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk – staatsferner Journalismus oder Hofberichterstattung?“

72. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 1.6.2023, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

die AfD verspürt dringenden Gesprächsbedarf zum Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Dabei schafft sie sich das Drama wie immer selbst. Der Landtag ist wieder einmal Bühne für diesen Dauerbrenner in der rechten Bubble. Im September letztes Jahr lautete die Anklage „Prunkfunk“. Dieses Mal geht es um den „Staatsfunk“. – Was haben Sie sonst noch in der Schublade? Gegen was gehts beim nächsten Mal? Lassen sie mich raten: „Gender-Sender“? „Ideologenstadl“? „Weg mit der Klima-thek!“?
Was auch immer, die Fortsetzung dieser ausgelaugten Seifenoper ist so sicher, wie die Gängelung von Journalisten auf einem AfD-Parteitag. Der äußerst kreative Umgang mit der Realität ist garantiert. Na dann, gute Unterhaltung!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

inhaltlich hat die AfD nichts Neues zu bieten. Anhand dieses Neuaufgusses der ewig gleichen Schmutzkampagne kann man wiederum die Strategie der AfD sehr schön offenlegen. Auf der einen Seite will sie die Öffentlich-Rechtlichen abschaffen. Darauf laufen ja die als Sachvorschlag getarnten Forderungen hinaus. Ein „Zurückfahren auf den Grundauftrag“ und das Ersetzen der Beitragsfinanzierung durch eine private, marktbasierte Finanzierung entzögen den Anstalten schließlich jede Bestandsgrundlage. Da macht aber klugerweise keiner mit, der ein Interesse am Fortbestand der Demokratie hat.

Wenn sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schon nicht abschaffen kann, dann kommt sie heute eben wieder mit Desinformation und Verschwörungsstorys, auf dass das Gespenst der staatlich gelenkten Meinungsmache endlich hinter dem Vorhang hervorkommt und das Volk die Wahrheit erfährt. Die AfD als Hüterin der journalistischen Unabhängigkeit – das ist schon eine wilde Geschichte.

Da ist sie nämlich auch wieder komplett widersprüchlich. Auf der einen Seite sollen öffentlich-rechtliche Journalistinnen und Journalisten gesteuert seien. Aber immer, wenn ihnen deren Inhalte nicht passen, kommen sie selbst mit Vorschlägen, die nichts anderes sind als politische Einflussnahme. Dann darf nicht mehr gegendert werden, dann muss Klima wieder Wetter sein, dann müssten wissenschaftliche Ergebnisse allesamt mit einem Ideologiestempel versehen werden.

Dieses Konzept der Unabhängigkeit scheint für die AfD nur dann zu greifen, wenn sie einen Vorteil davon hat. Wenn Journalistinnen und Journalisten ihre Arbeit machen, und der AfD unbequeme Fragen stellen, z.B. zum Thema Parteispenden oder zur Verfassungstreue, dann passt es ihnen auch wieder nicht. Zur Professionalität in diesem Beruf gehört es, allen kritische Fragen zu stellen, den Regierenden und auch allen Parteien. Da gehören Sie übrigens dazu, falls sie es noch nicht gemerkt haben.

Und wie ist eigentlich das Verhältnis der AfD zu einer lupenreinen Hofberichterstattung? In Russland zum Beispiel, wo zwischen Staat und Medien nicht mehr zu unterscheiden ist, dort gibt es nur noch Staatsmedien. Bei denen dienen sich Abgeordnete der AfD regelrecht an, um in deren Kanälen ein bisschen mitfunken zu dürfen. Da gilt Ihnen Propaganda plötzlich als Meinungsfreiheit, oder wie ist das zu verstehen?
Ich verstehe es so: Ein echter Staatsfunk wäre ihnen gerade recht, solange er nach ihrer Pfeife tanzt! Ihr durchsichtiges Schmierentheater können Sie sich sparen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

es ist bedauerlich, dass der Kulturkampf immer wieder die öffentliche Debatte über die tatsächlich wichtigen Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems in den Schatten stellt. Fragen der journalistischen Qualität und Professionalität werden in der sachlichen Auseinandersetzung über die Entwicklung der Anstalten immer auch ein Aspekt sein.

Es ist nicht so, dass die Unabhängigkeit und die Kritikfunktion der Medien, öffentlich-rechtlicher wie privater, nicht schon immer ein Thema wären.
Es haben sich Qualitätsstandards herausgebildet, Journalistinnen und Journalisten sind dem Pressekodex verpflichtet. Wer sich nicht daran hält, bekommt gerade aus der eigenen Berufsgruppe die schärfste Kritik und wird zum Gegenstand von Aufklärungsarbeit. Diese Kontrolle ist wichtig, sie greift.

Die Auseinandersetzung über Haltung und Ausgewogenheit wird auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk intensiv und kontrovers geführt. Beispielhaft findet sich das in der Rubrik „Haltung, Meinung, Journalismus“ des Medien-Portals „360G des MDR.

Im Angesicht unserer Debatte heute würde ich mir wünschen, dass wir Medienkritik auf den sachlichen Grundlagen diskutieren könnten, die es zuhauf gibt. Allein mit der AfD wird das nichts werden.