Wirksame Hebel für Lehrkräftebedarf in Sachsen nutzen

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE „Ausbildungs- und personalpolitische Offensive gegen den Lehrkräftemangel in Sachsen jetzt starten!“ Drs. 7/9337

46. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 23.3.2022, TOP 11

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Herbst wurde die 2. Regionalisierte Schüler- und Absolventenprognose vorgelegt. Demnach werden bis zum Schuljahr 2027/28 zwischen 8 und 10 Prozent mehr Schülerinnen und Schüler die sächsischen Schulen besuchen. Seit Jahresbeginn liegen die Kenndaten zum aktuellen Schuljahr vor. Demnach fehlen zur vollständigen Abdeckung des Unterrichts über 740 Vollzeitäquivalente. Zum 01. Februar 2022 konnten von den geplanten 800 Einstellungen 81 Stellen, also jede zehnte, nicht besetzt werden. Fast 40 Prozent der grundständig ausgebildeten Lehrkräfte bewarben sich für das Gymnasium, rund 60 Prozent wollten in Leipzig oder Dresden arbeiten.

Kurzum: Es gelingt uns nicht, den Unterricht vollumfänglich abzusichern. Im ländlichen Raum, in den MINT-Fächern sowie an Förder- und Oberschulen sind die personellen Lücken besonders groß. Gleichzeitig steigen die Schülerzahlen.

Diese Herausforderungen sind nicht neu. Aber anders, als es die Fraktion DIE LINKE mit ihrem Antrag suggeriert, steuern wir seit Jahren gegen. Die geforderte „Ausbildungs- und personalpolitische Offensive gegen den Lehrermangel“ wurde bereits vor Jahren eingeleitet – spätestens mit dem Handlungsprogramm 2018. Und im Gegensatz zum Antrag beinhaltet das Handlungsprogramm sehr konkrete Maßnahmen, um mehr Lehrkräfte zu gewinnen und den Lehrerberuf attraktiver zu machen.

Zunächst zu den Quantitäten: Es gibt mit der Lehrerbedarfsprognose eine solide, langfristige Personalplanung. Diese wird derzeit überarbeitet. Für den Doppelhaushalt 2023/24 hat das SMK über 2.000 zusätzliche Lehrerstellen angemeldet. Begannen vor zehn Jahren noch 1.700 Studierende ein Lehramtsstudium, sind es inzwischen 2.700 Studienanfängerinnen und -anfänger. Schlossen zuletzt rund 1.400 Studierende jährlich ein Lehramtsstudium ab, rechnen wir ab dem kommenden Jahr mit etwa 1.700 bis 1.800 Absolventinnen und Absolventen. In Sachsen studieren 18 Prozent eines Abiturjahrgangs Lehramt, im Bundesschnitt sind es 10 Prozent.

Daneben haben wir Maßnahmen ergriffen, die den Lehrerberuf attraktiver machen: Die Bezahlung der Lehrkräfte, der Referendarinnen und Referendare wurde deutlich verbessert. Es gibt das Anschlussreferendariat und den Anwärtersonderzuschlag, Ausbildungsstätten im ländlichen Raum und das Programm „Perspektive Land“. Es werden Modellstudiengänge in der Lehramtsausbildung eingerichtet. Wir haben die Schulassistenz im Schulgesetz verankert und die diesbezüglichen Stellen ausgebaut. Wir haben das Gesundheitsmanagement in Schulen gestärkt, um Lehrkräfte – gesund – bis zum Renteneintritt im Schuldienst zu halten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ein Wort zur Verbeamtung: Für uns BÜNDNISGRÜNE war es stets eine pragmatische Entscheidung. Wir teilen die Einschätzung, dass damit ein Wettbewerbsnachteil kompensiert wird. Ob das Instrument auch in Zukunft taugt, wird auf Basis der Evaluation zu entscheiden sein.

Auch andere Maßnahmen aus dem Handlungsprogramm wurden und werden evaluiert. Niemand behauptet, dass er den Stein der Weisen gefunden hat. Das erwarte ich auch von den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE nicht. Aber dass Ihr Antrag praktisch gänzlich auf konkrete Vorschläge verzichtet, ist mindestens schade.

Welche Hebel sollten wir noch nutzen?

  • Wir sollten und werden die Arbeit an Schulen auf viele Schultern verteilen, um die Lehrkräfte zu entlasten, Stichwort: Ausbau multiprofessioneller Teams.
  • Wir brauchen mehr Studierende, die ihr Lehramtsstudium erfolgreich abschließen und auch nach dem Referendariat in Sachsen bleiben. Die Modellstudiengänge, die gute Bezahlung sächsischer Referendare und die genannten Begleitprogramme stimmen mich optimistisch, dass uns das in Zukunft noch besser gelingt.
  • Wir setzen uns dafür ein, dass die Anerkennungsverfahren für Lehrkräfte aus dem Ausland weiter beschleunigt werden.
  • Nach wie vor sehen wir „Luft nach oben“, was die Ansprache angehender Lehrkräfte und die Serviceorientierung betrifft, Stichwort: „lenkendes Einstellungsverfahren“.
  • Der Bedarf an Stellen und Mitteln ist groß. Auf die Liste der Maßnahmen zur Linderung des Lehrermangels gehört deshalb auch die Verlängerung der Tilgungsfrist in der Verfassung.

Nicht zuletzt geht es mit Blick auf den ländlichen Raum um ein stimmiges Gesamtpaket, Stichwort „Klebeeffekt“.

Sie sehen: Wir sehen die Realität, wir sind nicht zufrieden, wir steuern um und wir gehen weitere Maßnahmen gegen den Lehrermangel ganz konkret an. In Ihrem Antrag heute sehen wir wenig ganz Konkretes zur Problemlösung. Wir werden den Antrag ablehnen. Herzlichen Dank!