Politik-Talk bei ‚Kürzer geht`s nicht‘ in Leipzig

Politik-TalkZu Beginn der sachsenweiten Bildungsdemo Kürzer geht´s – Bildung braucht Zukunft  am 25. Juni in Leipzig fand der Politik-Talk mit Vertretern aller demokratischen Parteien im Landtag satt. Die Runde zeigte die deutlichen Unterschiede in den Vorstellungen über zukunftsfähige, sächsische Bildungspolitk. Am 31. August kann darüber abgestimmt werden, ob Stellenkürzungen gegen jede Vernunft durchgezogen werden, ob Sachsen weiterhin auf den letzten Plätzen bei der Hochschulfinanzierung bleiben will, ob soziales Studieren noch möglich ist und ob wissenschaftlicher Nachwuchs überhaupt erwünscht ist. Das Motto für mich ist auch ‚Zukunft braucht Bildung!‘. Folgende Antworten auf die Fragen der Studierenden und Schülervertretungen gab es von mir.

1. Sind Sie für die Rücknahme der Stellenkürzungen an sächsischen Hochschulen im Umfang von 1.042 Stellen bis 2020?
Ja. Die durch die CDU/FDP-Koalition beschlossenen Stellenkürzungen beruhen auf Studierendenzahlprognosen, welche sich als viel zu niedrig erwiesen haben. Angesichts der ungebrochen hohen Zahl von Studienanfängerinnen und -anfängern ist die Streichung von Stellen falsch. Aber auch ohne Studierendenzuwachs wollen wir die Stellen erhalten, um Qualitätsverbesserungen in der Lehre und eine inhaltliche Profilbildung der Hochschulen zu ermöglichen.

2. Sollen Verträgen bei Neueinstellungen von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und Lehrkräften mit einer sozial-verträglichen Mindestdauer gesetzlich geregelt werden?
Nein. Der Anteil der Befristungen geht weit über das erforderliche und sinnvolle Maß hinaus, denn mittlerweile werden nur noch 6,5 % aller Neueinstellungen unbefristet vorgenommen und über ein Viertel der befristeten Stellen weisen Befristungsdauern von unter 6 Monaten auf. Aber statt einer juristisch schwierigen gesetzlichen Mindestdauer von Verträgen wollen wir den Befristungszwang für Drittmittelstellen im Hochschulgesetz streichen, die Tarifsperre im Wissenschaftszeitvertragsgesetz aufheben und über einen Wissenschaftstarifvertrag sowie Anreize in Drittmittelprogrammen Wege zu mehr unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen entwickeln. Daueraufgaben brauchen Dauerstellen. Bei Qualifizierungsstellen soll die Befristung der tatsächlich nötigen Zeit für die Qualifizierung entsprechen, Gleiches gilt für Laufzeit von Drittmittelprojekten.

3. Sollen in Sachsen keine allgemeinen Studiengebühren zur Finanzierung der Hochschullandschaft eingeführt werden?
Ja. Wir wollen keine Studiengebühren in Sachsen. Mit ihrem – nicht unerheblichen – Semesterbeitrag leisten die Studierenden ihren Anteil an den anfallenden Verwaltungskosten. Zusätzliche Beiträge sind nicht legitim.  Langzeitstudiengebühren, wie sie das Hochschulgesetz vorsieht, ignorieren gänzlich die Gründe, die zu einer Studienzeitverlängerung geführt haben, und verschärfen die Situation eventuell noch und führen zu ungewollten Studiumsabbrüchen. Da sogenannte Langzeitstudierende keine nennenswerten Mehrkosten verursachen, sind Gebühren für diese Gruppe der Studierenden auch wirtschaftlich nicht gerechtfertigt.

4. Muss das Angebot an Masterstudienplätzen sachsenweit ausgebaut werden?
Ja. Damit alle Interessierten ihr Studium mit einem Master in Sachsen abzuschließen können, muss das Angebot an Masterstudienplätzen deutlich ausgebaut werden. Die Bereitstellung zusätzlicher Plätze muss der Freistaat auch fächerspezifisch fördern, um eine qualitätsvolle Lehre zu sichern.

5. Muss der Zuschuss für die sächsischen Studierendenwerke auf das Doppelte (11,8 Millionen Euro) angehoben werden?
Ja. Die Zuschüsse entsprechen seit Jahren nicht mehr den notwendigen Aufwendungen, die die Studentenwerke für die Mensen, aber auch für z.B. psychosoziale Beratungsangebote oder Kinderbetreuung haben. Den Ausgleich müssen die Studierenden über die Semesterbeiträge erbringen, welche mittlerweile zu den höchsten in ganz Deutschland zählen. Wir GRÜNE haben  in die Verhandlungen zum letzten Doppelhaushalt die gegenfinanzierte Erhöhung auf mindestens 8 Mio. Euro eingebracht. Das ist der bisher angemeldete Bedarf der Studentenwerke. Aufgrund der zusätzlichen Mittel der BaföG-Übernahme des Bundes ist eine darüber hinausgehende Erhöhung möglich.

6. Soll der Betreuungsschlüssel in den Krippen und Kindertagesstätten gesenkt werden?
Ja. Gute Bildung fängt früh an. Um den sächsischen Bildungsplan umzusetzen brauchen Erzieherinnen und Erzieher mehr Zeit und kleinere Gruppen. Kinder brauchen mehr individuelle Förderung und Zuwendung. In der Realität liegen die Kind-Erzieherinnen-Relation noch deutlich über dem Schlüssel von 1:13 in Kita und 1:6 in Krippe. Die Qualität der Kinderbetreuung darf nicht unter dem notwendigen Platzausbau leiden. Wir brauchen außerdem in Zukunft mehr gut ausgebildetes pädagogisches Personal, weil viele Erzieherinnen in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen.

7. Welche Bedarfe sehen Sie im Lehrer*innen-Bereich und wie soll dieser gedeckt werden?
Wir haben aktuell und perspektivisch zu wenig Lehrkräfte. Bis 2020 gehen mehr als 8.000 der derzeit 32.000 Lehrerinnen und Lehrer in Ruhestand. Bis 2030 werden es dreiviertel der Lehrerschaft sein. Schon heute ist der Unterrichtsausfall immens. An jedem vierten Gymnasium wurden im aktuellen Schuljahr 2013/14 die zweite Fremdsprache ausgelost. Die kurzfristigen und chaotischen Neueinstellungen sind reiner Ersatzbedarf.
Die Einstellungspraxis muss aber auf steigende Schülerzahlen, die jetzt schon fehlenden Lehrer und vor allem neue Aufgaben z.B. bei der Umsetzung der Inklusion reagieren. Deshalb brauchen wir deutlich mehr Lehrerstellen im Haushalt. Wir brauchen ein langfristiges Personalkonzept und keine jährlichen Taschenspielertricks am Ende jedes Schuljahres. Wir haben ein Lehrerbildungsgesetz vorgelegt: welches keine Trennung nach Schularten in Ausbildung, Dauer und Bezahlung umsetzt.  Dazu brauchen wir qualifiziertes Seiteneinsteigerprogramm und attraktive Arbeitsplätze für Referendare und Lehrerinnen und Lehrer.
Die Probleme weiterhin aussitzen und auf bessere Zeiten hoffen funktioniert nicht mehr in der Bildungspolitik in Sachsen.

8. Wie sieht aus ihrer Sicht die Bildungslandschaft im Freistaat Sachsen in 2020 aus? Skizzieren Sie kurz ihrer bildungs- sowie hochschulpolitischen Schwerpunkte der kommenden Legislatur.
Wie die Bildungslandschaft 2020 aussieht, kommt darauf an wer regiert!
1. Wir GRÜNEN wollen gute Bildung für alle. Die fängt in der Kita an: mit Zeit und ausreichend Personal: deshalb muss der Betreuungsschlüssel endlich verbessert werden.
2. Wir wollen längeres gemeinsames Lernen ermöglichen und das frühe Sortieren von Kindern beenden. Dafür wollen wir die Gemeinschaftsschule konkret umsetzen.
3. Wir wollen die Lehramtsausbildung gesetzlich sichern und nicht mehr nach Schularten sondern nach Lebensalter der Kinder ausbilden. Damit machen wir  die Gemeinschaftsschulen möglich, beugen Lehrermangel vor, und schaffen gleiche Ausbildungsdauer und Bezahlung.
4. Wir wollen zügig alle Voraussetzungen für ein vollständig inklusives Schulsystem in Sachsen schaffen.
5. Wir wollen attraktive Hochschulen für Studierende, wissenschaftlichen Nachwuchs, Professorinnen und Professoren: die Grundfinanzierung ist auf bundesweiten Durchschnitt zu erhöhen, die Stellenkürzungen müssen gestoppt werden weil sie auf falschen Prognosen basieren. Wir wollen mehr echte Hochschulautonomie und gut finanzierte Studentenwerke, die ihre wichtigen Aufgaben auch jenseits des Mensenbetriebs erfüllen können.

Unsere GRÜNEN Pläne für Sachsen können hier nachgelesen werden.