Kulturschaffende in der Krise – Bundesregierung muss jetzt Wort halten

Redebeitrag der Abgeordneten Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum Prioritätenantrag der Fraktion DIE LINKE:

„Künstler*innen und Kulturschaffende vor Armut in der Krise schützen: Grundeinkommen für Soloselbstständige und Kleinunternehmer*innen!“

13. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 16.07.2020, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht ein Problem darin, dass viele Soloselbstständige im Kulturbereich, immer noch durch das Raster der Rettungsmaßnahmen fallen. Sie sind es, die für uns und unsere Gesundheit viel leisten, indem sie für eine lange Zeit Umsatzverluste hinnehmen müssen. Die Fraktion DIE LINKE hat es zutreffend dargelegt.

Es ist wichtig, hier genauer hinzuschauen: Ein Teil der Betroffenen kann jetzt nach den Lockerungen wieder wirtschaftlich arbeiten. Aber bei einem anderen Teil hängt der Umsatz mehr oder weniger direkt von der Auslastung von Veranstaltungen ab, also vom Live-Betrieb z.B. in Clubs, Konzertorten, Privat-Theatern. Da ist noch längst nicht wieder Land in Sicht. Mit den vollständigen Schließungen im März ging es für sie ganz auf Null. Jetzt dauert die Publikumsbegrenzung durch die notwendigen Abstandsregelungen weiter an.
Viele Soloselbständige und Kleinunternehmen können derzeit ihren Lebensunterhalt nicht erwirtschaften.

Dazu kommt, dass der Weg in die Normalität bislang nicht planbar ist. Und längerfristige Folgen der Krise kommen erst noch zum Tragen: Z.B. Zurückhaltung bei der Auftragsvergabe oder verringerte Ausschüttung von Tantiemen an Musiker*innen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich erinnere bei jeder Gelegenheit daran: Auch wenn allgemein das Gefühl herrscht, wir nähern uns wieder der Normalität an, wir dürfen diese Berufsgruppen nicht vergessen. Seit Ende März haben mir in unzähligen Gesprächen Kulturschaffende aus den verschiedenen Sparten ihre Not geschildert.

Eines ist dabei deutlich geworden: Es ist nicht nur ein soziales, sondern zusätzlich auch ein strukturelles Problem. Wenn sich jetzt Kreative wohl oder übel einer anderen Tätigkeit zuwenden müssen, fallen sie womöglich dauerhaft für die Kulturszene und die Kreativwirtschaft in Sachsen aus. Nicht selten herrschen hier ohnehin prekäre Einkommensverhältnisse bei hoher Qualifikation. Es braucht also schon einen besonderen Antrieb, trotzdem weiter zu machen. Wenn das aber unmöglich wird, reißt es uns Löcher in den personellen Teppich, der die Grundlage für unsere kulturelle Vielfalt ist und der die regionalen Wertschöpfungsketten der Kulturmärkte trägt.

Seit März ist eine Menge passiert. Die Staatsregierung hat sehr viel dafür in Bewegung gesetzt, dass die Einkommensquellen für freie Kulturschaffende erhalten bleiben. Ich bin Kulturministerin Barbara Klepsch sehr dankbar, dass ihr Haus bei der Ausrichtung der Maßnahmen die Anregungen unserer Fraktion aufgegriffen hat.
Eine überaus wichtige Maßnahme ist beispielsweise der Rettungsschirm für freie Kulturträger, vor allem für gemeinnützige Vereine, die nicht von den Hilfsprogrammen des Bundes profitieren. Sie abzusichern ist eine vorrangige Aufgabe der Freistaates.

Mit dem Stipendium „Denkzeit“ der Kulturstiftung können nach der weiteren Aufstockung auf insgesamt 7 Millionen Euro über 3.000 Kunst- und Kulturschaffende ihrem Beruf weiter nachgehen. Es wurden Regelungen für Ausfallhonorare getroffen, die Landesmittel für weitere Stipendien und zusätzliche Kleinstprojektförderung erhöht und die Förderverfahren an die Krise angepasst, damit Mittel weiter fließen. Ich bin außerdem sehr froh, dass in Leipzig und Dresden kommunale Zuschuss- und Stipendienprogramme aufgelegt wurden. All das hilft Soloselbständigen.

Auch das Soforthilfe-Programm der SAB ist ein wichtiger Beitrag. Eine Reihe von Kulturschaffenden können damit ihren Unternehmerlohn finanzieren. Mit Ausnahme diejenigen, die vorher unter dem durchschnittlichen Einkommen von 1250 Euro lagen und natürlich aller, die ein Darlehen nicht zurückzahlen können, weil sie ihre Umsatzausfälle nicht nachholen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
trotz all dieser Maßnahmen fehlt für viele Soloselbständige weiterhin die Unterstützung des Lebensunterhalts. Ein landeseigenes Grundeinkommen, wie es die LINKE fordert halten wir dennoch nicht für den richtigen Weg und werden den Antrag deshalb ablehnen.
Der branchenübergreifende Ansatz ist zwar richtig, aber das würde den Freistaat erst recht finanziell überfordern.

Nach wie vor sehen wir es als Aufgabe der Bundesregierung, die prekäre Lage dieser Berufsgruppen endlich abzufedern.
Momentan hängt die Existenz vieler Kulturschaffender davon ab, in welchem Bundesland sie leben. Natürlich hat Baden-Württemberg eine gute Lösung. Andere Länder haben aber diese finanzielle Kraft nicht und der Freistaat Sachsen hat seinen Beitrag bereits in erheblichem Umfang geleistet.
Wir GRÜNE fordern deshalb, dass die Überbrückungshilfen im Rahmen des Konjunkturpaketes umgehend für den Lebensunterhalt für Soloselbständige und Kleinunternehmer geöffnet werden.

Es war schon sehr enttäuschend, dass auch beim Konjunkturpaket die Lebensrealität der Kulturschaffenden missachtet wird. Das Thema schlägt seit Monaten Wellen. Nachdem auch Kulturstaatsministerin Grütters anfangs darauf beharrt hatte, die Grundsicherung sei die bessere Lösung, erleben wir bei ihr nach massivem öffentlichem Druck ein Umdenken. Bundesfinanzminister Scholz schiebt jedoch bislang den Riegel vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir sollten nicht so tun, also wäre der erleichtere Zugang zum ALG II ein adäquater Ersatz. Das Problem ist weniger, dass Künstler sich zu schade sind, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, als dass die Beantragung häufig doch kompliziert geblieben ist, die Zuverdienstgrenzen unflexibel sind und das Einkommen der Partner angerechnet wird. Dass das im Vergleich zu anderen Finanzhilfen als ungerecht empfunden wird, ist doch kein Wunder.

„Wir lassen niemanden allein“, hieß es von Bundeswirtschaftsminister Altmaier zu Beginn der Krise. Die Bundesregierung muss jetzt Wort halten.