Die Kultur in Sachsen braucht eine Perspektive – mit dynamischem Kulturdialog statt starren Plänen

Dr. Claudia Maicher hält Rede im Sächsischen Landtag

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum Prioritätenantrag der Fraktion DIE LINKE „Mehr Kulturpolitik wagen: Runden Tisch für eine langfristige und tragfähige Perspektive der Kunst und Kultur in Sachsen einrichten.“ Drs 7/5416

26. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 25.03.2020, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben es beim Bericht der Staatsregierung gestern bereits diskutiert: Kultur in Sachsen braucht eine Perspektive. Kulturpolitik muss eine klare Vorstellung davon vermitteln, wie Kulturschaffende, Kultureinrichtungen, -vereine und -initiativen wieder auf die Beine kommen. Diese Intention erkenne ich auch im Antrag der Fraktion Die LINKE und begrüße das Anliegen daher grundsätzlich. Selbstverständlich funktioniert Kulturpolitik nur mit der fachlichen Expertise der Kulturschaffenden und auf Basis eines Austausches.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sie können der Stellungnahme von Kulturministerin Klepsch entnehmen, dass ein solcher Prozess bereits angelaufen ist. Die Kulturgespräche zur Pandemiebewältigung sollen nun in einen langfristig angelegten „Kulturdialog“ übergehen. Das begrüße ich außerordentlich. Es braucht einen strukturierten Arbeitsprozess, der mit den Kulturakteuren Lösungen erarbeitet, zu Themen, die für sie vordringlich sind. Derzeit ist das der Neustart.

Gerade während der Pandemie ist deutlich geworden, wie lösungsorientiert die Kultur hier in Sachsen ist. Die vielen Initiativen und solidarischen Aktionen, die Umfragen und die sparten- und branchenspezifischen Konzepte; dahinter steht enormes Engagement. In den vielen Gesprächen, die ich in den letzten 12 Monaten geführt habe, wurde nie einfach nur die Hand aufgehalten oder Frust abgelassen. Im Gegenteil, der Austausch ist höchst konstruktiv.

Viele in der Politik mussten dazulernen, was die Arbeitsbedingungen und wirtschaftlichen Hintergründe im Kulturbereich ausmacht. Aber auch beim Thema Wiedereröffnung: welche Vorbereitungszeit die Konzertorte, Theater oder Kinos eigentlich benötigen, oder dass man Teststrategien für Technoclubs nicht einfach auf den Bereich kultureller Bildung mit Kindern übertragen kann. Oder, dass die Musikbranche noch lange zu knabbern haben wird, wenn die Ausschüttungen von GEMA und GVL für 2020 und 2021 in den Folgejahren komplett ausbleiben und neue Produktionen oder Tourneen nicht finanziert werden können. Das sind langfristige Folgen.

Die sächsische Kulturpolitik profitiert bei der Suche nach wirksamen Lösungen von den Landeskulturverbänden, die als Interessenvertretungen die Anliegen von Kulturschaffenden und Kulturträgern bündeln und aufbereiten. Auch der Kultursenat hat in seinem Positionspapier vom Dezember 2020 „Visionen für eine Kultur nach dem Lockdown“ geliefert. Damit sind wertvolle Hinweise gegeben, die es gemeinsam zu vertiefen gilt.

Es zeigt sich gerade bei der Pandemiebewältigung, dass ein einmaliger Austausch nicht genügt. Wenn man Wirkungsmechanismen von Maßnahmen oder Regeln in der Praxis verbessern will, dann funktioniert das nur im Dialog auf Augenhöhe, als kontinuierlicher Prozess, als Arbeitstreffen, immer fokussiert auf konkrete Ergebnisse. Eine solche kooperative und konzeptbasierte Kulturpolitik verstehe ich nicht als besonderes Wagnis, sondern als Routine-Weg von Kulturpolitik. Diesen Weg wollen wir BÜNDNISGRÜNE weitergehen. Wir werden Frau Klepsch in diesem Sinne mit voller Kraft beim Kulturdialog unterstützen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich komme zu Punkt II. und der darin geforderten Vorlage eines „Kulturentwicklungsplan“ der Staatsregierung. Das mag erstmal gut klingen, aber bei näherer Betrachtung passt ein solches „Planfeststellungsverfahren zur Gesamtheit der sächsischen Kulturlandschaft“ einfach nicht zu deren Dynamik. Offen gestanden kommt die Forderung als reine Hülse daher und greift inhaltlich viel zu kurz. Wir müssen Kultur nicht nur auf Basis einer aktuellen Bestandsaufnahme erhalten, sondern über die Krise hinausdenken. Natürlich ist das Überleben der kulturellen Vielfalt wichtig. Aber Corona verstärkt doch bereits vorhandene, tieferliegende Problemlagen, die wir angehen müssen.

Und Kultur steht auch unabhängig von der Pandemie vor Herausforderungen, seien es eine faire Bezahlung, Konzepte im ländlichen Raum, bessere Chancen für Frauen, die Rolle von Kultur für die gesellschaftliche Teilhabe oder beim digitalen Wandel unserer Gesellschaft und vieles mehr. Diese Themen dürfen bei so einer Gesamtentwicklung doch keine Randnotiz bleiben. Dass es mehr Themen gibt, lässt der Antrag zwar prinzipiell zu. Ich hätte aber erwartet, dass DIE LINKE hier etwas progressiver vorangeht und eigene Vorschläge macht. Wenigstens in der Hinsicht, dass sie die Erfahrungen in der Krise auswerten werden, z.B. zur Digitalisierung oder zu neuen Arbeits- und Partizipationsformen.

Wir GRÜNE gehen auch methodisch anders an die Sache heran: Wir brauchen für die Kulturentwicklung in Sachsen weniger einen starren Plan, denn der birgt immer die Gefahr, dass wir einmalig etwas aufschreiben, beschließen und danach passiert jahrelang nichts. Das ist zu statisch. Besser ist ein dauerhafter, fokussierter Diskussionsprozess. Für uns sind Konzepte und Handlungsempfehlungen zu einzelnen Schwerpunkten ein natürliches Ergebnis des Kulturdialoges. Es braucht öffentlich verfügbare Datengrundlagen, Positionspapiere, gerne auch kontroverse Positionen, und als Ergebnis konkrete Handlungsschritte. Wir wünschen uns ein Konzept für einen Prozess der Landeskulturentwicklung, der schrittweises Handeln ermöglicht und fortwährend Neuerungen aufnehmen kann.

Dieser Antrag ist uns BÜNDNISGRÜNEN zu eng gedacht, deshalb können wir nicht zustimmen.