Konzept Kulturelle Bildung − So richtig die Ziele sind, so unklar ist es, wie diese Ziele erreicht werden sollen.

Presse − Landtagsreden
Datum: 07.11.2018

Redebeitrag der Abgeordneten Claudia Maicher zur Fachregierungserklärung:
„Der Zukunft den Rücken stärken: Kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche im Freistaat Sachsen“, 7. November, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

kulturelle Bildung ist, das ist meine feste Überzeugung, ein zentraler Bestand der Allgemeinbildung. Kulturelle Bildung ist ein echter Entwicklungsfaktor für Sachsen, für unsere Fähigkeit den gesellschaftlichen Wandel zu gestalten.
Denn neben der Kompetenz, Kultur zu verstehen und sich mit ästhetischen Mitteln selbst auszudrücken, beinhaltet kulturelle Bildung auch gesellschaftliche Beteiligung. Und diese findet heute in der Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen überall statt.

Heute, in einer Zeit der sozialen Medien und der allgemeinen Verfügbarkeit kultureller Produktionstechnik – nichts anderes sind Smartphones – findet gesellschaftliche Beteiligung ganz oft als kulturell-ästhetische Beteiligung statt. Die Ausdrucksmöglichkeiten sind einfach da. Und wer sich heute anderen mitteilen will, nutzt dafür eben auch kulturelle Mittel.
Kulturelle Bildung führt, davon bin ich überzeugt, im gesellschaftlichen Sinne dazu Differenzierungen zu erkennen, Graubereiche wahrzunehmen statt Schwarz-Weiß-Einteilungen zu folgen. Und deshalb ist sie so wichtig. Und deshalb gehört sie zur Allgemeinbildung.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

das vorliegende Konzept ist ein wichtiger Schritt. Aus Sicht von uns GRÜNEN fällt die Beurteilung gleichwohl zweigeteilt aus.

Zunächst möchte ich Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange ausdrücklich danken. Der partizipative Prozess, denn Sie in den letzten Jahren geführt haben, ist ein Novum. Er ist geprägt von gegenseitiger Anerkennung zwischen Ministerien, Fachleuten, Kommunen und Trägern und einer konstruktiven Diskussionskultur. Die Zufriedenheit der Fachverbände, wie z.B. der Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (LKJ) Sachsen e.V., deren Handschrift deutlich zu Tage tritt, spricht für sich.

Vor fünf Jahren sah das noch ganz anders aus. Da verschränkte die Staatsregierung den Akteuren gegenüber die Arme. Das war der Antwort des Kultusministeriums auf die Große Anfrage der damals regierungstragenden Fraktionen von CDU und FDP deutlich anzumerken. Man hatte kulturelle Bildung in ihrer Vielfalt weder richtig verstanden noch hatte man daran gedacht, mit den Fachverbänden vorher auch nur zu reden. Heute läuft die Zusammenarbeit auf hohem Niveau.

Das könnte beispielgebend auch für andere Bereiche in Sachsen Standard werden.

Unsere Anerkennung gilt auch für die Ziele, die in dem Konzept aufgestellt werden. Als gemeinsamer Rahmen für das Handeln der beteiligten Ministerien ist das Konzept eine Zäsur. Insofern war die Überschrift in der Pressemitteilung des SMWK durchaus treffend gewählt: Sie lautete: „Die Kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen erfolgt künftig nach Plan“. Den gab es vorher so nicht. Zumindest war von einer gemeinsamen Zielperspektive keine Spur.

Die Maßstäbe, die in den fünf Leitzielen des Konzeptes aufgestellt werden, sind fachlich wie politisch zu begrüßen: So bedeutet das Ziel Teilhabegerechtigkeit, dass der Anspruch, kulturelle Bildung für alle anzubieten, aufrechterhalten wird, auch wenn er nicht überall so schnell zu realisieren ist.

Auch das Ziel, >>bedarfsgerechte Angebote<< bereitzustellen, ist richtig, gerade weil dies immer wieder Diskussionen befördern wird, was eigentlich bedarfsgerecht ist. Und zwar aus Sicht derer, die die Angebote nutzen. So lässt sich unter anderem auch unter den Gesichtspunkten Inklusion und Interkulturalität die Landschaft kultureller Bildung immer wieder zwischen den Ebenen und Ressorts neu verhandeln und an gesellschaftliche Bedürfnisse anpassen.

Es ist auch richtig, dass das Konzept nicht bei Fragen der Mobilität und Kostenfreiheit als wichtigen Rahmenbedingungen stehen bleibt, sondern dass die kulturelle Bildungsarbeit an sich besser unterstützt werden soll. Dabei kommt es auf die Qualität an, auf die Aus- und Fortbildung und eben auch auf die Kooperationsfähigkeit der verschiedenen Beteiligen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,

an den hier formulierten Maßstäben wird sich die Staatsregierung künftig messen lassen müssen. Die vier beteiligten Ministerien gehen hiermit eine Verpflichtung gegenüber den Kulturräumen, Verbänden, Trägern und Fachkräften ein – nicht zuletzt gegenüber den Kindern und Jugendlichen in Sachsen.

Soweit, so gut. Wir haben wie viele andere mit Spannung auf das Konzept gewartet. Das Ergebnis finde ich aber letztlich doch enttäuschend. Denn so richtig die Ziele sind, so unklar ist es, wie diese Ziele erreicht werden sollen.

Man beachte die Wortwahl in der Pressemitteilung des SMWK zur Veröffentlichung des Landeskonzeptes. Das Kabinett habe die >>Umsetzung des Konzeptes beauftragt<<. Ich frage mich, ob da nicht auf dem Weg in die Staatskanzlei ein paar Seiten herausgefallen sind, die man eigentlich noch bräuchte, um überhaupt von einer Umsetzung reden zu können?

Wenige Zeilen später wird dann auch klar, dass erst >>demnächst<< am Runden Tisch die konkrete Umsetzung geklärt werden soll.

Die Rede von Maßnahmen in dem Konzept ist ziemlich irreführend, denn es handelt sich großteils nicht um konkrete Handlungsschritte. Bei jeder dieser sogenannten Maßnahmen möchte man fragen: Ja! Aber wodurch genau? Was genau soll denn anders gemacht werden als zuvor? Wie sollen Instrumente angepasst werden?

Da diese Überlegungen an so vielen Stellen fehlen, bin ich mir auch nicht sicher, ob hinter den jeweils angepeilten Jahresangaben ein Plan steht, oder ob diese Jahresangaben, die ja größtenteils nicht mehr in dieser Wahlperiode liegen, nur so hingeschrieben sind.

Gänzlich ernüchternd wird es im Kapitel 6. Da werden die bestehenden Förderstrukturen kurz vorgestellt. Das ist ja nicht falsch, aber leider auch nichts Neues.

Zu einem Konzept gehört doch, dass genau diese Strukturen kritisch analysiert werden, inwieweit Veränderungen notwendig sind. Darüber muss doch in den letzten drei Jahren gesprochen worden sein. Da drückt den Akteurinnen und Akteuren doch der Schuh! Warum bleibt das jetzt unter dem Deckmantel? Warum werden verbindliche Aussagen zur Umsetzung auf unbestimmte Zeit verschoben?

Jetzt wird das Konzept mitten in der heißen Phase der Beratungen zum Haushalt 2019/2020 vorgelegt. Es fehlen aber die Grundlagen, um schon für die nächsten zwei Jahre weitere finanzielle Weichen zu stellen.

Zwar hat das SMWK seine Finanzierungsvorschläge im Rahmen der Richtlinie Musikschulen und Kulturelle Bildung vorgelegt, darin 6 Millionen Euro für die Musikschulen – also das Niveau wie bisher – und ca. eine Million Euro für Schultheater, Mobilitätsprojekte und die Netzwerkstellen Kulturelle Bildung der Kulturräume. Aber wie verhält sich die Höhe und Aufteilung der Mittel zu den Zielen des Konzepts? Bisher sehe ich hier nur ein Vorgehen wie gehabt.

Schleierhaft ist uns GRÜNEN, wie das Kultus- und das Sozialministerium ihren Worten Taten folgen lassen wollen und wie sich Kulturelle Bildung in ihren Einzelplänen darstellen soll.

Das SMK hat sich eine Akzentuierung der kulturelle Bildung in der Schule vorgenommen, so steht es auch im Koalitionsvertrag. Die Schwachstelle ist seit dem 5. Bericht des Sächsischen Kultursenats im Jahr 2012 immer wieder benannt worden.

Aber was folgt hieraus? Wenn kulturelle Bildung Allgemeinbildung ist, dann muss sie enger an den Unterricht angebunden sein. Allein mit freiwilligen Zusatzangeboten am Nachmittag wie den Ganztagsangeboten erreicht man das nicht. Und bei den GTA wissen wir doch seit Jahren, wie schwierig qualifiziertes Personal zu bekommen ist. Das Konzept bleibt für den Schulbereich jedoch äußerst vage und unverbindlich.

Es gibt noch die Beteiligung an der Koordinierungsstelle ‚KOST – Kooperation Schule und Theater‘ mit ca. 20 Prozent am Gesamtumfang, während das SMWK ca. 80 Prozent finanziert. Die geringe Beteiligung spricht aber nicht gerade für eine umfangreiches Interesse des Kultusministeriums.

Für den Bereich des Sozialministeriums wird insbesondere auf die Förderrichtlinie ‚überörtlicher Bedarf‘ hingewiesen. Im vergangenen Jahr hatten wir aber erst die Problematik, dass zu wenige Mittel im Einzelplan 08 eingestellt waren und bestehende kulturelle und außerschulische Bildungsmaßnahmen wegzubrechen drohten.

Auch im aktuellen Haushaltsentwurf fehlt jegliche Zweckbindung und damit auch die Planbarkeit für kulturelle Bildung.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

wir GRÜNE bedauern, dass die Staatsregierung nur den ersten Teil eines Konzeptes verabschiedet hat. Wenn wir das Ergebnis am Koalitionsvertrag von CDU und SPD messen, heißt das: Die Richtung ist gut, aber das Ziel wird leider noch nicht erreicht.