Gedenken an 60 Jahre Mauerbau – Solidarität auch heute leben

Claudia Maicher im Landtag mit Plenarsaal im Hintergrund

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zur Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion CDU zum Thema: „60 Jahre Mauerbau – Das Gedenken an die Opfer der deutschen Teilung hochhalten“

33. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 24.06.2021, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das 60. Jahr des Mauerbaus gibt uns einen besonderen Anlass den Opfern zu gedenken, an die DDR-Diktatur zu erinnern und uns bewusst zu machen, wie wir mit diesem historischen Erbe umgehen wollen.

Das Gedenken an die Opfer gilt dabei insbesondere den Menschen, die zwischen 1961 und 1989 beim Versuch die Mauer zu überwinden den Tod fanden. Jedes einzelne Schicksal steht für die Unmenschlichkeit des SED-Regimes.

Erinnern wollen wir auch an die Menschen, die aus politischen Gründen inhaftiert waren oder in Jugendwerkhöfen umerzogen werden sollten, die von Zwangsadoptionen oder Zersetzungsmaßnahmen der Stasi betroffen waren.

Eine moderne Erinnerungskultur in Sachsen soll das würdige Gedenken an die Opfer fortführen und vor allem jungen Menschen eine Auseinandersetzung mit der Geschichte ermöglichen. Eine ganze Reihe von Gedenkstätten widmen sich der zeitgemäßen Aufarbeitung, von der Bautzener Straße in Dresden, über den Kaßberg in Chemnitz bis zum ehemaligen geschlossenen Jugendwerkhof in Torgau. Hinzu kommen die Aufarbeitungsinitiativen wie das Archiv Bürgerbewegung Leipzig oder Martin-Luther-King-Zentrum in Werdau.

Die Erinnerungsarbeit an den authentischen Orten und die Stärkung vor allem der Bildungsarbeit liegt mir sehr am Herzen. Als Koalition von CDU, BÜNDNISGRÜNEN und SPD haben wir im Doppelhaushalt 2021/22 die finanzielle Ausstattung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten auf hohem Niveau fortgesetzt und die Mittel für Gedenkstättenpädagogik aufgestockt.

Mit der Entwicklungskonzeption der Stiftung wird die Erinnerungsarbeit und ihre gesellschaftliche Verankerung an verschiedenen Standorten weiterentwickelt. Dazu gehört die stärkere Vernetzung der Gedenkstätten und Initiativen, auch mit den sächsischen Außenstellen des Stasi-Unterlagen-Archivs des Bundes und der Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sowie mit Schulen und weiteren Bildungseinrichtungen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

für uns BÜNDNISGRÜNE steht die historische Rückschau nicht losgelöst von 31 Jahren Leben in Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Ein Leben, dass es zu verteidigen gilt. Das Gedenken möchte ich deshalb mit der Frage verbinden, wozu uns die Erfahrungen der deutsch-deutschen Teilung und der friedlichen Revolution 89/90 verpflichten. Welche Werte leiten wir aus diesen Erfahrungen ab? Wo müssen wir sie aktiv vertreten?

Das beschränkt sich nicht auf Deutschland. Auch heute werden Menschen ihrer Freiheit beraubt, versuchen sich Freiheit zu erkämpfen und Unrechtsregimen zu entfliehen. Schauen wir z.B. nach Belarus, wo Proteste gegen Wahlfälschungen niedergeschlagen und Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Es ist wichtig, dass wir – gerade vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte – uns solidarisch mit der Opposition in Belarus erklären, wie es ehemalige DDR-Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler bei Mahnwachen in Leipzig getan haben.

Wir sehen in Ungarn, wie eine Regierung immer autoritärer agiert. Wir sehen in Hongkong, wie eine Demokratie zunichtegemacht wird. Wir sehen, wie Menschen weltweit vor Unrecht und politischer Verfolgung fliehen. Wir sehen diese Ursachen der Flucht und das tausendfache Sterben im Mittelmeer und kritisieren die Kriminalisierung der Seenotrettung und die systematische Missachtung von Menschenrechten von Geflüchteten in Camps in Griechenland.

Aus unserer Geschichte leiten wir eine Verantwortung ab, solchen Zustände außerhalb und innerhalb Europas entgegenzutreten und uns mit Menschen, die unter ihnen leiden, zu solidarisieren.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

nicht zuletzt brauchen wir die historische Aufarbeitung der DDR-Geschichte auch in den Diskussionen der Gegenwart hier in Sachsen.
Wir erleben eine Zeit, in der schon die Abschaffung von Dumpingpreisen für Wochenendflüge nach Mallorca als Angriff auf die Freiheitsrechte hochgekocht wird.

Wenn aber auf Demonstrationen und im Netz pandemiebedingte Einschränkungen mit Repressionen in der DDR gleichgesetzt werden. Wenn bei Widerspruch gegen Hass und Hetze die ewige Leier angeworfen wird, wir hätten heute auch nicht mehr Meinungsfreiheit als damals in der DDR. Dann ist es ratsam, Historikerinnen und Historiker oder Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu befragen, was Unfreiheit bedeutet. Aber es geht hier ja nicht um Geschichtsvergessenheit, hier wird Geschichte instrumentalisiert. Hier reden politische Kräfte bis in die Parlamente hinein bewusst gesellschaftliche Zustände herbei, die jeglicher Tatsachengrundlage entbehren.
Dem müssen wir demokratischen Parteien Aufklärung entgegenstellen und Erinnerungsarbeit stärken.