Frauenpolitik wird in Sachsen abgewickelt

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Frauenpolitik in Sachsen

In dieser Woche wird der sächsische Doppelhaushalt 2011/2012 beschlossen. Die CDU/FDP-Koalition will dabei den Anfang vom Ende der aktiven Gleichstellungspolitik einläuten. Im sächsischen Doppelhaushalt sind für das Jahr 2011 nur noch 200.000 Euro und für das Jahr 2012 nur noch 165.000 Euro für die Förderung der Gleichberechtigung von Frau und Mann veranschlagt. Im Jahr 2010 waren es dagegen noch 640.000 Euro. Damit erhält dieser Bereich weniger Mittel als vor dem Jahr 1992.

Der Landesfrauenrat wird mit Verabschiedung des Doppelhaushaltes im sächsischen Landtag abgewickelt. Der Landesfrauenrat ist Dachverband und landesweite Interessenvertretung von mehr als 40 Frauenorganisationen, -projekten und -initiativen in Sachsen. Ab 2012 wird es keine Mittel mehr für den Frauendachverband auf Landesebene geben. Im Jahr 2011 stehen 9.000 Euro zur Selbstauflösung zur Verfügung.

Wir protestieren gemeinsam mit vielen, die sich für Gleichstellung von Frau und Mann in Sachsen einsetzen. Unterzeichnen auch Sie hier.


Die Entwicklungen der finanziellen Ausstattung zeigen deutlich den Wert der Gleichstellung von Frauen und Männern in Sachsen. Die CDU/FDP Regierung entlarvt sich selbst: Landesweite Strukturen der Gleichstellungspolitik sind für sie verzichtbar und Sparen wird zum Selbstzweck erklärt. Kontinuierliche Aufgaben werden in Projekte umgewandelt und somit für die Trägervereine zum jährlichen Bewilligungsrisiko. Wir brauchen einen starken frauenpolitischen Dachverband in Sachsen und eine moderne Gleichstellungspolitik. Sie  muss darauf zielen, den Anspruch des Grundgesetzes im Lebensalltag zu verwirklichen. Denn nur dort wo ambitionierte gut ausgebildete junge Frauen eine Perspektive für ihre Lebensziele – Vereinbarkeit von Karriere, Familie und Selbstverwirklichung sehen, hat Sachsen eine Zukunft.
Immer noch gehen aus Sachsen mehr Menschen weg als zuwandern. Wir verlieren unsere klugen Köpfe, in den Lebensjahren bis 25 sind darunter überproportional Frauen. Innerhalb von 6 Jahren, zwischen 2003 und 2009, registrieren wir einen Verlust von 89.400 Frauen (gegenüber 63.300 Männer im selben Zeitraum). Bei den 30 Jährigen gibt es im Jahr 2009 laut 5. Regionalisierter Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes Sachsen fast 4000 Frauen weniger als Männer: junge, gut ausgebildete Frauen, die uns in Sachsen als Unternehmensgründerinnen, Fachkräfte oder Wissenschaftlerinnen fehlen werden.
Es ist Aufgabe der Politik die strukturellen Hindernisse zu ändern. Deswegen fordern wir ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot für Kinder. Wir GRÜNEN wollen eine modernere Familienbesteuerung und im Bund das Ehegattensplitting abschaffen. In Sachsen können die Mittel für das Landeserziehungsgeld sinnvoller in gute Kinderbetreuung investiert werden. Das kommt allen Kindern zu Gute!
Von Mindestlöhnen profitieren Frauen besonders. Denn auch in Sachsen verdienen, ähnlich wie im Bundesvergleich, Frauen weniger als Männer und sind häufiger im Niedriglohnbereich beschäftigt. Dies verkehrt sich bei Einkommen über 2600 Euro monatlich: in diesem Bereich arbeiten laut Statistischem Landesamt 71.800 Männer aber nur 28.000 Frauen in Sachsen. Nie war eine Frauengeneration so gut ausgebildet wie heute und kann dies trotzdem nicht in gleiche Zugänge zu höheren Positionen übersetzen.
Es braucht dringend Ansätze im Bereich der bezahlten Arbeit, um auch die unbezahlte Arbeit anders zu verteilen: Wenn Frauen genauso viel verdienen wie Männer und Männer genauso wie Frauen Möglichkeiten erhalten, flexibel zu arbeiten, wird sich auch die Haus- und Familienarbeit anders verteilen.
Ungleichheiten im Verdienst führen auch dazu, dass immer noch mehr Frauen viel längere Elternzeit in Anspruch nehmen. Damit wird die klassische Rollenverteilung in Familie und Beruf zementiert. Aktuelle Zahlen zeigen es: Zwar setzen fast ein Drittel der Männer in Sachsen, die im ersten Halbjahr 2009 Vater wurden, beruflich aus. Aber während die meisten Mütter ein Jahr pausierten nehmen die Männer lediglich zwei Vätermonate in Anspruch.
Es reicht nicht mehr, wenn gleiche Chancen auf Zugang zur Bildung zwischen Frauen und Männern existieren, es muss in jeder Lebensphase auch gerechter Zugang zu den Ressourcen – Arbeit, Macht und Geld – aufgrund von Bildung bestehen. Heute können Frauen ihren Bildungsvorsprung nur ungenügend in Leitungspositionen übersetzen. Wir reden immer noch über eine starke Unterrepräsentanz von Spitzenfrauen in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung.
Nur ca. 14 Prozent der Professuren an sächsischen Hochschulen sind mit Frauen besetzt.  Deshalb ist es außerordentlich erfreulich, dass der Universität Leipzig nach 601 Jahren im Jahr 2010 endlich eine Rektorin vorsteht. Wir GRÜNEN wollen mehr Frauen eine Karriere in der Wissenschaft ermöglichen und deshalb jede zweite neue Professur bis 2020 mit einer Frau besetzen. Verbindliche Frauenquoten sind die richtige Konsequenz aus dem Scheitern freiwilliger Zusagen.
Im Kabinett der sächsischen Regierung sitzen gerade einmal zwei Ministerinnen. Männer gestalten zu 85 Prozent den Alltag aller Sächsinnen und Sachsen, weil sie zu diesen Anteilen in den entscheidenden Gremien sitzen. Gerecht ist das nicht. Vielleicht spielt deshalb die Gleichstellungs- und Frauenpolitik in Sachsen trotz ihrer rechtlichen Verpflichtung und  gesellschaftlichen und ökonomischen Bedeutung nur eine verbale Rolle?
Wir können es uns in Sachsen nicht mehr leisten, das Potenzial der Hälfte unserer Bevölkerung nicht richtig zu nutzen. Die ökonomischen Fakten, der Fachkräftemangel und die demografische Entwicklung werden die Debatte um Gleichstellung und gleiche Chancen von Männern und Frauen in Sachsen beleben. Und das ist auch geboten!