9. Oktober in Leipzig: Gysi würde durch einen Verzicht Größe zeigen

PM-MAICHER-MdL
29.07.2019

Die Leipziger Landtagsabgeordnete Dr. Claudia Maicher (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erklärt zum Streit um den geplanten Auftritt Gregor Gysis am 09. Oktober in der Peterskirche Leipzig:

„Der geplante Auftritt Gregor Gysis am 09. Oktober in der Peterskirche Leipzig verletzt die Gefühle etlicher Menschen, die im Jahr 1989 für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen sind. Das ist ein Fakt, um den niemand herum kommt, egal ob für sie oder ihn diese Gefühle nachvollziehbar sind oder nicht. Warum die Philharmonie Leipzig gerade Gysi am 9. Oktober nach Leipzig eingeladen hat, konnte sie aus meiner Sicht bisher nicht deutlich vermitteln.

Das muss sie allerdings auch nicht, denn Kunst ist frei. Auch das war 1989 eines der Anliegen der friedlichen Revolution. Allerdings muss die Philharmonie auch mit dem Widerspruch von Engagierten leben.

Als Leipzigerin, die nur als Kind in Erfurt bei den Demonstrationen dabei war, ist mir ein Zugang zu der Diskussion um Gysis Auftritt in Leipzig gegönnt, der weniger emotionsgeladen ist.

Natürlich muss es in unserer Demokratie möglich sein, mit allen Zeitzeugen in den Austausch über die Ereignisse der friedlichen Revolution zu kommen. Wir brauchen dringend mehr Auseinandersetzung und Aufarbeitung auch im Interesse der nachfolgenden Generationen. Herr Gysi gehört da als Person und Zeitzeuge, sowohl in seiner umstrittenen Rolle als Rechtsanwalt und ab 1988 als Vorsitzender des Kollegiums der Rechtsanwälte der DDR als auch als letzter Vorsitzender der SED, selbstverständlich als Gesprächspartner dazu.

Doch viele Argumente der Kritikerinnen und Kritiker können nicht einfach weggewischt werden. Aus ihrer Sicht ist und bleibt es unsensibel, gerade in dem bedeutenden Erinnerungsjahr 2019 ausgerechnet am 9. Oktober in Leipzig diese Veranstaltung mit Gysi zu planen. Den Menschen, die sich lange vor 1989 mutig für Meinungsfreiheit und mehr Demokratie in der DDR engagiert haben und dafür mitunter mit Freiheitsentzug und Repression bezahlten, haben unseren Respekt verdient.

Nach meiner Überzeugung darf es keinen politischen Einfluss auf die Kulturfreiheit geben. Darum begegne ich Forderungen, die die Veranstaltungen verbieten oder aus Kirchen verbannen lassen wollen, mit gehöriger Skepsis.

Die Positionen sind ausgetauscht, einen Kompromiss wird es nicht geben (können). Nun droht die Konfrontation. Gysi selbst könnte handeln. Er sollte die vorgebrachte Kritik annehmen und seine Teilnahme absagen. An einem anderen, weniger symbolträchtigen Termin zwischen dem 9. Oktober 2019 und 3. Oktober 2020 kann er den Diskurs auch mit seinen Kritikerinnen und Kritikern suchen.

Das würde von Größe zeugen!“