100 Prozent Breitbandausbau? In Sachsen drohen etliche weiße Flecken – zwischen 49 und 72 Prozent der Haushalte betroffen

Pressemitteilung 121/2018
Datum: 14.05.2018

Dresden. Nach der Einigung der Staatsregierung mit dem Bund über die vollständige Übernahme des kommunalen Anteils beim Breitbandausbau durch den Freistaat droht etlichen Haushalten im ländlichen Raum Sachsens trotzdem die Unterversorgung beim schnellen Internet.
Dieses Fazit zieht die Landtagsabgeordnete Dr. Claudia Maicher, netzpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, nach der Antwort von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf ihre diesbezügliche kleine Anfrage.
„Wenn die Staatsregierung ihre Breitbandstrategie nicht schnellstens nachbessert, drohen wieder etliche weiße Flecken beim schnellen Internet.“

Denn Gebiete, in denen mindestens 30 MBit/s Downloadgeschwindigkeit erreichbar sind, gelten laut der sächsischen Förderrichtlinie DiOS als versorgt. Dort wird der Breitbandausbau nicht weiter gefördert. Das betrifft zwischen 49,1 Prozent der Haushalte im Landkreis Mittelsachsen und 71,8 Prozent im Landkreis Zwickau, wie aus der Antwort von Minister Dulig hervorgeht. Für einen Teil davon wurde bei früheren Ausbauarbeiten durch Ertüchtigung von Kupferleitungen ein Anstieg der Downloadgeschwindigkeit auf theoretisch gerade so 30 MBit/s oder 50 MBit/s erreicht. Faktisch sind die Verbindungen oft langsamer. „Für viele Haushalte wird die Versorgung bald nicht mehr für eine normale Internetnutzung ausreichen“, befürchtet die Abgeordnete.

„Auch bei den laufenden Ausbauprojekten kann von einem 100-Prozent-Glasfaser-Ausbau keine Rede sein. Bei den aktuell von der Staatsregierung bewilligten Projekten werden 19 Prozent der Haushalte nur mit Kupferleitungen erschlossen. Auch bei künftigen Bewilligungen kann der Ausbau mit Kupferkabeln wegen der Technik-Neutralität nicht ausgeschlossen werden. Damit sind die von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und seinem Vize Dulig mehrfach verkündeten ‚100-Prozent-Glasfaser‘ nichts mehr als leere Versprechungen“.

„Das Ziel der Staatsregierung von flächendeckend 100 MBit/s bis zum Jahr 2025 ist mit den derzeit gültigen Förderrichtlinien der Bundesregierung und dem EU-Beihilferecht überhaupt nicht zu erreichen, vom konsequenten Ausbau von Gigabitgeschwindigkeit ganz zu schweigen. Ich finde es unverfroren, dass Kretschmer und Dulig dies nicht offen kommunizieren. Stattdessen bedienen sie wider besseres Wissen weiter Erwartungen der Kommunen und der Menschen in Sachsen, die seit Jahren auf eine flächendeckende Lösung für das schnelle Internet warten“, kritisiert Maicher.
„Dulig macht es sich zu einfach, wenn er allein von der Bundesregierung fordert, dass diese ihre Breitbandförderung neu auszurichten müsse. Die Staatsregierung muss schnellstmöglich eine Strategie für eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet auf den Tisch legen. Wir GRÜNE fordern die Staatsregierung auf, sich nicht mit dem Zwischenschritt von flächendeckend 100 MBit/s bis 2025 aufzuhalten und den konsequenten Ausbau von Gigabitgeschwindigkeit voranzutreiben.“

„Bisher haben Sachsens Ankündigungs-Weltmeister Kretschmer und Dulig zwar eine Studie zu den Bedarfen für eine Gigabitinfrastruktur angekündigt. Wann aber konkrete Kostenanalysen und transparente Förderszenarien vorgelegt werden, bleibt bisher unklar. Der Anschlussausbau muss jetzt organisiert werden. Und zwar so, dass nicht schon beim ersten Spatenstich klar ist, dass man damit nur einen überholten Standard bekommt.“

Laut Antwort von Wirtschaftsminister Dulig beträgt der Anteil der Verfügbarkeit mit mindestens 30 Mbit/s im Landkreis Bautzen 66,3 Prozent, im Erzgebirgskreis 59,3 Prozent, im Landkreis Görlitz 58,7 Prozent, im Landkreis Leipzig 53 Prozent, im Landkreis Meißen 63,5 Prozent, im Landkreis Mittelsachsen 49,1 Prozent, im Landkreis Nordsachsen 59 Prozent, im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 61,4 Prozent, im Vogtlandkreis 63,7 Prozent und im Landkreis Zwickau 71,8 Prozent. In Sachsens Großstädten liegt die Verfügbarkeit von mindestens 30 Mbit/s in Chemnitz bei 78,4 Prozent, in Dresden bei 95,5 Prozent und in Leipzig bei 96,6 Prozent.

>> Antwort von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf die Kleine Anfragen der Landtagsabgeordneten Dr. Claudia Maicher: (GRÜNE) ‚Breitbandförderung‘ (Drs 6/12885)
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12885&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=1&dok_id=undefined

>> Dem Breitbandkompetenzzentrum Sachsen zufolge können ca. 65 Prozent der Haushalte im Freistaat mindestens 50 MBit/s nutzen (Stand Ende 2017). Die Versorgung mit 100-MBit/s-Zugängen liegt derzeit bei ca. 50 Prozent.
https://www.digitale.offensive.sachsen.de/10657.html

Hintergrund:
>> Sächsische Förderrichtlinie DiOS
https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/17538-Richtlinie-Digitale-Offensive-Sachsen

>> Die Bundesregierung hat im September 2017 in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des sächsischen Bundestagsabgeordneten Stephan Kühn (GRÜNE) konkrete Angaben gemacht, welcher Anteil der Haushalte mit 30, 50 oder 100 MBit/s versorgt ist.
Dabei verfügen nur 18 Prozent der ländlichen Haushalte, 43 Prozent der halbstädtischen Haushalte und 82 Prozent der Haushalte in den Großstädten über 50 MBit/s.
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/136/1813623.pdf

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hatten mehrfach den 100-Prozent-Glasfaser-Ausbau angekündigt, z.B.:
>> Interview Kretschmer MDR Aktuell „Wir sind uns einig, dass der Breitbandausbau bis in jede Ecke unseres Landes, schnelles Internet auf Glasfaserbasis, gelingen muss.“ (6.12.2017 )
https://www.mdr.de/sachsen/interview-michael-kretschmer-100.html
>> Martin Dulig, 20.12.17: „100 Prozent Förderung für 100 Prozent Glasfaser“
http://www.lvz.de/Region/Mitteldeutschland/Sachsen-will-Breitbandausbau-kuenftig-zu-100-Prozent-foerdern