Rede zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Lehrbeauftragter und des Mittelbaus an sächsischen Hochschulen

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Diesen Redebeitrag finden Sie auch hier im Video.

Redebeitrag der Abgeordneten Claudia Maicher zum Antrag von CDU/SPD „Wissenschaftlichen Nachwuchs, Lehrbeauftragte und Mittelbau an sächsischen Hochschulen stärker fördern“ (Drs. 6/2006)
16. Sitzung des Sächsischen Landtags, 8. Juli 2015, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Niemand wird sich für eine akademische Laufbahn entscheiden, weil dies ein zweckrationaler Weg ist, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wir alle wussten, als wir angefangen haben, dass es schwer wird, aber kaum einer wird vermutet haben, dass es so unmöglich ist, sich in diesem Bereich eine planbare, berufliche Existenz aufzubauen.“

Dieses Zitat ist nicht neu, es ist ganz im Gegenteil bald zwei Jahre alt. Es stammt aus einer Umfrage, die die Mittelbauinitiative Dresden im Januar 2014 veröffentlicht hat. Als der Landtag im Mai 2014 das Thema „wissenschaftlicher Nachwuchs“ beriet, wurde die prekäre Arbeitssituation von allen anerkannt. Man müsse die Situation des wissenschaftlichen Mittelbaus verbessern und werde das auch tun, hieß es.

Um es klar zu sagen, das Eingangszitat ist heute so aktuell wie damals. Nicht mal mehr jeder zehnte akademische Mitarbeiter an den Hochschulen hat noch einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Stattdessen sind Kurzzeitbefristung und Kettenverträge an der Tagesordnung. Es wird Zeit, dass sich das endlich ändert.

Natürlich können Befristungen durchaus einen Sinn haben, etwa wenn es sich um Qualifikationsstellen handelt. Aber wenn 21 Prozent der befristeten Beschäftigungsverhältnisse Laufzeiten unter sechs Monaten aufweisen, ist das weder gewollte Flexibilität noch positive Dynamik in der Wissenschaft. Das ist einfach nur noch prekär. Das schadet der Qualität und Kreativität der Forschung in Sachsen. Das wollen wir nicht.

Ein Jahr ist vergangen seit jener besagten Landtagssitzung und wir sind kein Stück weitergekommen. Das ist für uns GRÜNE inakzeptabel.

Also haben wir einen Antrag eingebracht, der das Ziel hat, die Missstände und fehlenden Perspektiven beim Wissenschaftlichen Nachwuchs zu beheben. Vor zwei Wochen haben wir uns im Wissenschaftsausschuss darauf verständigt, diesen Antrag zusammen mit dem der LINKEN gleich nach der Sommerpause in einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen begutachten zu lassen.

Denn bei diesem Thema müssen die Lösungsansätze sitzen. Da darf es keine Fehler geben – das Hochschulsystem lässt keine ständigen kleinteiligen Neujustierungen zu.

Keine zwei Wochen später überraschen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, uns nun mit einem Antrag, der gleich hier und heute abgestimmt werden soll. Was hat Sie denn daran gehindert, ihre Ideen auch am 31.8. der Fachöffentlichkeit vorzustellen und diskutieren zu lassen? Das wäre nicht nur ein Zeichen guten politischen Stils gewesen, es hätte auch der fachlichen Auseinandersetzung und der Lösungsfindung gedient.

Aber zumindest können wir feststellen, dass Sie viele unserer vorgelegten GRÜNEN Ideen aufgegriffen haben:

Es ist richtig, dass Sie Arbeitsverträge für Daueraufgaben entfristen möchten.
Es ist richtig, dass Sie die Laufzeit von Beschäftigungsverhältnissen in Drittmittelprojekten an die Projektdauer koppeln wollen.
Ebenso sind Personalentwicklungskonzepte an den Hochschulen sowie eine Ausweitung von Tenure-Track Professuren längst überfällig.

Aber meine Damen und Herren das reicht nicht, unsere Forderungen gehen deshalb noch weiter.

Die unterdurchschnittliche Grundfinanzierung unserer Hochschulen führt dazu, dass Drittmittel einen immer größeren Anteil an der Forschungsfinanzierung einnehmen. Aber was passiert, wenn ein Projekt ausläuft oder während der Laufzeit plötzlich der Auftraggeber aussteigt? Dann ist der Arbeitsplatz als Wissenschaftler in Gefahr. Wir schlagen deshalb vor, dass Staatsregierung und die Hochschulen gemeinsam nach Wegen suchen Drittmittelpools zu bilden, aus denen Projektstellen vor- oder zwischenfinanziert werden können.

Ebenso wollen wir die Qualifikationsstellen stärker in den Blick nehmen. Das Modell „Arbeite am Tag und promoviere gefälligst nachts und am Wochenende“ ist nicht nur unzeitgemäß; es verträgt sich auch nicht mit dem Anspruch, Karrieren in der Wissenschaft familienfreundlich auszugestalten. Deshalb schlagen wir Betreuungsvereinbarungen vor, die neben den Rechten und Pflichten von Hochschule und Promovierenden auch klar regeln, dass die Stelle der Qualifizierung dient und hierfür auch genügend Zeit sein muss.

Ich möchte abschließend noch einmal ganz deutlich betonen, dass ich mir eine wirkliche fachliche Debatte ihres Antrags im Ausschuss gewünscht hätte. Zum Beispiel wäre zu reden gewesen, über die Verantwortlichkeiten, die die Staatsregierung eigentlich übernehmen sollte. Aber auch wenn Sie sich mit ihrem Vorgehen dieser Diskussion entziehen, werden wir Ihrem Antrag im Interesse der Nachwuchswissenschaftler und -Wissenschaftlerinnen zustimmen.

Vielen Dank