Es braucht eine öffentliche Diskussion über einen zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher zur Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung:
„Gesetz zum 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag“, 13. März 2019, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Mediennutzung und das Kommunikationsverhalten haben sich deutlich verändert. Medien werden nicht mehr nur linear über Fernsehen und Radio konsumiert, sondern auch mit Smartphone, Tablet, PC – und ständig kommen neue Geräte hinzu. Daher ist eine Überarbeitung des Telemedienauftrags nur folgerichtig.

Der nunmehr vorliegende 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag versucht, durch gesetzliche Regelungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dieser Weiterentwicklung Rechnung zu tragen. Das wird Zeit.

Darüber hinaus nimmt der öffentlich-rechtliche Rundfunk im digitalen Zeitalter eine bedeutsame Rolle ein.
Das Bundesverfassungsgericht hat das in seiner jüngsten Urteilsbegründung ausgeführt: Die Geschäftsmodelle der großen Player im Netz begünstigen die Verbreitung von Falschinformationen, erschweren die Unterscheidung von Fakten und Meinungen, führen zur Entstehung von Filterblasen. Das gefährdet die Meinungsvielfalt!

Die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss es mehr denn je sein, qualitativ hochwertige und vielfältige Inhalte, insbesondere im Digitalen, bereitzustellen. Die Diskussion über einen zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss geführt werden und zwar öffentlich!

Auch wir haben hier im Landtag eine Sachverständigenanhörung durchgeführt. Dabei wurden kritische Punkte durch die Experten formuliert, die bei einer Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beachtet werden sollten. Aus Sicht der GRÜNEN-Fraktion sind dabei drei Aspekte von besonderer Bedeutung:

1. Die Vergütung der an kreativen Inhalten beteiligten Rechteinhaber bei Ausweitung der Verweildauern in den Mediatheken.

Wir GRÜNE begrüßen die Aufhebung der 7-Tage-Regelung für die Verweildauer von öffentlich-rechtlichen Angeboten.
Jedoch fehlen in dem Gesetzentwurf entsprechende Regelungen zur Vergütung der Kreativen. Sie haben kaum Refinanzierungsmöglichkeiten für ihre Werke bei einer unbegrenzten Verfügbarkeit in den Mediatheken.
Die notwendigen zusätzlichen Vergütungen müssten zudem transparent dargestellt werden, damit die Vergütung im linearen Bereich von der Vergütung im Bereich der Mediatheken klar getrennt Voneinander nachvollzogen werden kann.

2. Das Verbot der Presseähnlichkeit.

Mit der Manifestierung des Verbots der Presseähnlichkeit bleibt der Entwurf mit einem Bein im linearer Zeitalter stehen. Er verkennt die Realitäten einer konvergenten Mediennutzung, der Digitalisierung im Medienbereich!
Eine freie Entwicklung öffentlich-rechtlicher Angebote im Internet ist bei der vordergründigen Beschränkung auf Bild und Ton nicht möglich.
Die bisherigen Gerichtsurteile haben zudem keine publizistische Gewaltenteilung zwischen Presse und Rundfunk festgestellt, die verfassungsrechtlich geschützt ist. Darüber hinaus ist eine Gefährdung der Online-Angebote der Presse durch die der Öffentlich-Rechtlichen überhaupt nicht nachgewiesen.
Eine Beschränkung des publizistischen Wettbewerbs wie hier vorgesehen, ist also weder sinnvoll noch zeitgemäß und schadet der Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Leistungen für die Beitragszahler werden dadurch eingeschränkt.
Besser wäre es, eine beidseitige Entwicklungsoffenheit zu akzeptieren. Das heißt sowohl die Verwendung von Bild und Ton bei den Online-Angeboten der Presse als auch die Verwendung von Text bei digitalen Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

3. Die gesetzliche Schaffung einer Schiedsstelle.

Diese Schiedsstelle, in der sowohl die Presseverlage als auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten vertreten sind, sehen wir GRÜNE kritisch.
Es ist unklar, wie diese konkret ausgestaltet sein und welche genauen Aufgaben sie übernehmen soll. Es besteht die Gefahr, dass die Presseverlage durch ihre Marktmacht und ihr gerichtliches Drohpotenzial Einfluss auf die Programmautonomie der Sender nehmen können.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Presseverlage eine eigene Schiedsstelle bekommen, während anderen Gruppen, wie Urheber und Produzenten, die ebenfalls durch die Entscheidungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten ökonomisch betroffen sein können, diese Möglichkeit verwehrt bleibt. Vermutlich wird das Bundesverfassungsgericht erneut eine Klärung über viele jetzt getroffene Regelungen herbeiführen. Aus den genannten Gründen werden wir uns bei der Abstimmung zum Gesetzentwurf enthalten.