Verlässliche Unterstützung, Transparenz, Planbarkeit beim Aufbau von Erinnerungsorten: zentrale Forderungen engagierter Initiativen!

Rede der Abgeordneten Claudia Maicher zum Antrag der Fraktion LINKE:
‚Gedenkort KZ Sachsenburg erhalten und ausbauen – Erinnerung an die Naziverbrechen in einem der ersten sogenannten Schutzhaftlager in Sachsen wachhalten.‘ (Drs 6/10439)
70. Sitzung des Sächsischen Landtags, Mittwoch, 25. April, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die historische Bedeutung des ehemaligen KZ Sachsenburg ist kaum zu überschätzen. Dieser Ort steht für das Kalkül der politischen Verfolgung im Nationalsozialismus. Er steht wie kein zweiter für die grauenvolle Experimentierfreudigkeit beim Aufbau des KZ-Wesens.

Sachsen war ein Hotspot in der Landschaft der frühen Konzentrationslager. Sachsenburg nahm eine zentrale Rolle ein und hatte am längsten Bestand. Hier wurde gefoltert und getötet. Und es wurde ausgebildet − viele hunderte Aufseher, die später in den großen KZs eingesetzt wurden.
Es ist ein Ort, an dem die Strukturen von Naziverbrechen vorgedacht und vorbereitet wurden und deswegen darf dieser Ort nicht in Vergessenheit geraten. Da darf kein Gras drüber wachsen.
Aber bis heute ist eine institutionelle Förderung durch die Gedenkstättenstiftung trotz gesetzlicher Verankerung 2012 nicht absehbar!

Zwischenschritte der Erforschung und der Fotodokumentation sind erfolgt. Das haben wir vor allem dem enormen Durchhaltevermögen der „Initiative Klick“ und der Lagerarbeitsgemeinschaft zu verdanken. Die Initiative hat ein Konzept für die Gedenkstätte erarbeitet. Es wird in der Stadt Frankenberg und der Gedenkstättenstiftung nun schon länger diskutiert. Genaueres weiß man nicht.

In diesem Jahr stehen nun 85.000 Euro Förderung einer Außendarstellung – für einen Pfad der Erinnerung zur Verfügung. Und damit viel weniger Mittel als beantragt. Das ist ein kleiner Schritt. Die Frage ist nun: soll das Projekt mit Abstrichen an Qualität und Dauerhaftigkeit umgesetzt werden oder weitere Finanzierungsquellen für einen zweiten Abschnitt in 2019 gesucht werden. Das bremst den Aufbau der gesamten Gedenkstätte wieder und wieder aus.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

was in Sachsenburg fehlt ist ein klare Zielperspektive. Die Stadt Frankenberg und die Gedenkstättenstiftung müssen sich entscheiden, was die Gedenkstätte eigentlich beinhalten soll. Kein Aussitzen und kein Herumdrücken mehr!
Ich will noch einmal an eine gesetzliche Aufgabe der Stiftung erinnern: Gedenkstätten sollen als „Orte der außerschulischen sowie politischen Bildung“ entwickelt werden. Was heißt das für Sachsenburg?

Wir haben hier zum ersten Mal den Fall, dass eine Gedenkstätte von Anfang an ganz ohne Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auskommen muss. Das ist Teil einer Umstellung, die die Erinnerungskultur in Sachsen insgesamt zu leisten hat, wenn sie sich nicht früher oder später in Luft auflösen will.
Wenn junge Menschen keinen persönlichen Bezug haben, keine Erzählungen der Großeltern, können wir nicht mehr voraussetzen, dass sie überhaupt noch ein Bewusstsein für die Notwendigkeit des Erinnerns haben. Deshalb rückt die Bildungsarbeit in den Vordergrund.
Das aber ist eine entscheidende Voraussetzung für die Frage, was für eine Art Gedenkstätte dort eigentlich entstehen soll. Reicht eine kleine Dauerausstellung? Was ist zeitgemäße Bildungsarbeit und welches Personal und welche Räume werden dafür benötigt?

Wenn diese Gedenkstätte erfolgreich sein soll, dann muss sie ein Ort lebendiger Auseinandersetzung mit der Geschichte sein. Deshalb darf da jetzt nicht zu kleinlich gedacht werden. Dann sollten auch die Nutzung von Räumen im Fabrikgebäude und der Kommandanten-Villa nicht leichtfertig vom Tisch gewischt werden.

Ich glaube, das Bewusstsein in Frankenberg wächst, dass eine Gedenkstätte kein Manko ist. Das möchte ich ausdrücklich bekräftigen. Wenn jetzt sowohl die Stadt Frankenberg als auch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten ihre Chancen nutzen, erhalten sie bald ein modernes Zentrum für historisch-politische Bildung. Ein selbstbewusster Umgang, eine aufrichtige Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit ist ein Gewinn für die Region und kein Makel.

Dafür müssen dieses Jahr die Weichen gestellt werden. Der Landtag wird im Doppelhaushalt 2019/20 über den Etat der Gedenkstättenstiftung entscheiden. Deshalb hoffen wir, dass sich der Stiftungsrat in seiner nächsten Sitzung im Mai mit dem Gesamtkonzept befasst, damit ein konkreter Fahrplan aufgestellt und ein Antrag zur Errichtung der Gedenkstätte vorbereitet werden kann.

Die Intransparenz der Planung muss ein Ende haben. Vor allem auch den Engagierten vor Ort gegenüber. Sie sind der Motor beim Aufbau der Gedenkstätte.
Verlässliche Unterstützung, Transparenz und Planbarkeit für bürgerschaftliches Engagement beim Aufbau von wertvollen Erinnerungsorten, das war eine zentrale Forderung der Initiativen in einem Fachgespräch unserer Fraktion im letzten Jahr zur Weiterentwicklung der Stiftung. Und auch eine aktivere Rolle von Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange wird immer wieder eingefordert – zu Recht!

Deshalb ist es notwendig, das wir als Landtag dem Anliegen Nachdruck verleihen. Wir stimmen dem Antrag der Fraktion LINKE zu.