Rede zum Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetz

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Diesen Redebeitrag finden Sie auch hier im Video.

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher zur 2. Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE:
„Gesetz zur Änderung des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes“ (Drs 6/4578)
34. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 26. Mai 2016, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor: Sie haben ein Kind im schulpflichtigen Alter und weil Sie beim Erfolg der Schule mitgestalten wollen, haben Sie sich zum Klassenelternsprecher wählen lassen. Damit sind Sie auch gleichzeitig Mitglied im Elternrat. Er hat eine wichtige Position gegenüber Schulleitung, Schulträger und Schulaufsicht. Die Amtszeit der Elternratsvorsitzenden ist abgelaufen. Eine Nachfolge muss gewählt werden. Der Elternrat tritt zusammen. Nur ist dieses mal alles anders. Der Gesetzgeber hat beschlossen, dass dem Elternrat diese Aufgabe aberkannt wird. Stattdessen soll nun eine Gruppe von Leuten – die größtenteils weder der Schule angehören, noch jemals auf einem Wahlzettel gestanden haben – einen Wahlvorschlag machen. Ich stellte mir vor, wie das vielleicht gleich das Kultusministerium macht, da würden alle Beteiligten sicher viel Spaß haben. Sie können als gewählte Elternratsvertreter am Ende lediglich jemanden von dieser Liste zum Vorsitzenden machen – zusammengestellt von Leuten, denen jede demokratische Legitimation fehlt.

Bei der Elternmitwirkung ein undenkbarer Vorgang. Für die Hochschulen in Sachsen dagegen traurige Realität, wenn es darum geht, einen Rektor oder eine Rektorin zu wählen.

Die mehrheitlich mit externen Personal besetzten Hochschulräte erstellen Wahlvorschläge, aus denen die gewählten erweiterten Senate nur noch auswählen dürfen. Wo dies ein demokratisches Verfahren sein soll, erschließt sich wohl nur den wenigsten.
Bis 2012 war es zumindest noch so, dass zwischen den Senaten und dem Hochschulrat Einigung über den Wahlvorschlag bestehen musste.

Ich habe mir die Hochschulgesetznovelle von damals vorgenommen, um zu schauen, mit welcher Begründung das geändert wurde. Und zu meiner großen Verwunderung durfte ich da lesen: „Der Herstellung eines vorgelagerten Einvernehmens des Hochschulrates mit dem Senat bedarf es [..] nicht, […].“

Also meine Damen und Herren von der Koalition, besonders von der CDU, da haben Sie sich gründlich getäuscht. Denn zum Glück verstehen sich die demokratisch legitimierten Gremien an den Hochschulen eben nicht als Abnickvereine.

Das hat sich bei der Wahl der Rektorin der Musikhochschule Dresden gezeigt, als der erweiterte Senat dem Wahlvorschlag des Hochschulrates nicht folgen wollte. Der ist dann geschlossen zurückgetreten.

Und es hat sich bei dem Wahldebakel an der Universität Leipzig gezeigt. Hier akzeptierte der Senat es nicht, dass die derzeitige Amtsinhaberin vom Hochschulrat noch nicht einmal zur Wahl vorgeschlagen wurde. Es folgte ein lähmendes Tauziehen. Am Ende war nicht nur der Ruf der Hochschule und des Hochschulrates beschädigt, sondern auch die zweier weiterer Kandidaten, die letztlich ihre Kandidatur entnervt zurückzogen.

Wie das Ganze sich bei der anstehenden Wahl der Hochschulleitung der TU Chemnitz darstellen wird, wird sich zeigen. Die ersten Pressemitteilungen des dortigen Studierendenrates erfüllen mich zumindest nicht gerade mit Zuversicht.

Ich denke, ich muss nicht weiter ausführen, wieso meine Fraktion dem Gesetzentwurf der LINKEN zustimmen wird. Von allen möglichen Lösungen ist er die zweitbeste.

Die beste Lösung aus Sicht meiner Fraktion wäre eine klare Trennung der Zuständigkeiten. Hochschulräte mit ihrem externen Sachverstand sollten die Hochschulen in ihrer Entwicklung beraten, die gewählten Gremien sollten allein entscheiden und das schließt Rektoratswahlen natürlich mit ein.

Aber meine Damen und Herren von der LINKEN ich muss Ihnen auch sagen, dass Sie mit Ihrem Gesetzentwurf jetzt nicht den wirklich großen Wurf gelandet haben. Ja, Sie beheben ein Problem im Hochschulgesetz und verfolgen damit das ehrenwerte Ziel, die kommenden Hochschulleitungswahlen konfliktfreier zu gestalten.

Aber allein im Bereich der Hochschuldemokratie und Mitbestimmung gibt es noch unzählige Baustellen mehr. Wir haben Senate, die einmal das zentrale Entscheidungsorgan der Hochschulen waren. Heute beziehen sie zu einem großen Teil nur noch Stellung.

Die wirklich wichtigen Entscheidungen, wie die Mittelverteilung und die An- und Abschaffung von Studienangeboten, werden im Rektorat oder – wie beim Entwicklungs- und Wirtschaftsplan – im Hochschulrat getroffen. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass man den gewählten demokratischen Gremien nicht zu viele Kompetenzen entziehen darf, um die Freiheit der Forschung zu erhalten.

Wir haben darüber hinaus Studierendenvertretungen, deren Arbeitsgrundlage in Gefahr ist, weil es die Möglichkeit gibt, die Solidargemeinschaft zu verlassen.

Andere wichtige Gruppen, wie die Promovierenden an Universitäten haben überhaupt keine gesetzlich geregelte Vertretung.

Das sind nur ein paar wenige Beispiele, wo es im momentanen Hochschulgesetz hakt. Da gibt es noch einiges mehr und wir werden um eine grundlegende Reform nicht herumkommen.

Vielen Dank.