Landesprogramm europäische territoriale Zusammenarbeit für deutsch-tschechisch-polnische Projekte auflegen.

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD:
„Das EU-Programm zur Europäischen territorialen Zusammenarbeit (Interreg) nach 2020 stärken“, Drs 6/16695, Donnerstag, 14. März 2019, TOP 10

-Es gilt das gesprochene Wort-

Sehr geehrter Herr Präsident, Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die INTERREG-Programme fördern Projekte der grenzübergreifenden Zusammenarbeit zwischen EU-Mitgliedstaaten. Ziel ist die gemeinsame Entwicklung von grenzübergreifenden Regionen im Bereich Infrastruktur, Umweltschutz, Bildung, Raumentwicklung oder Kultur.
Sie stärken die Integration und Kooperation und schaffen dadurch im besten Fall auch eine Sichtbarkeit positiver Zusammenarbeit in der EU vor Ort. Das ist gut für Europa.

Dies würdigen die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag nur kurz am Anfang ihrer Begründung. Im Antragstext findet sich davon nicht eine Zeile.
Stattdessen: alles soll so bleiben wie bisher und zwar mit so vielen Fördermillionen nach Sachsen wie möglich. Alles wie immer.

Sie haben keine Vorstellung von einer inhaltlichen Weiterentwicklung der Programme. Wozu also dieser Antrag?
Was wollen Sie heute erreichen? Der Antrag gibt inhaltlich nur das wieder, was der Bundesrat schon im letzten Jahr als Entschließungsantrag verabschiedet hat.
Da war die Staatsregierung bei der Erarbeitung beteiligt.
Das ist nacheilender Gehorsam des Parlaments. Das ist ein Gefälligkeitsantrag. Das ist so unambitioniert für die Regierungskoalitionen CDU und SPD!

Ihre subtile Kritik an den Kommissionsvorschlägen für die Ausgestaltung der INTERREG-Programme ab 2021 geht zum Teil auch fehl.
Sie mahnen z.B. die weitere Bearbeitung der Kleinprojektefonds durch die Euroregionen an.
Die Förderfähigkeit der Euroregionen bzw. der Kleinprojektefonds hat die Kommission gar nicht in Frage gestellt.
Dass die Nachweisführung gefühlt immer komplizierter wird, hat vor allem mit dem eigenen Unvermögen zu tun.
Da vereinfacht das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium mit der SAB möglichst viele Bestimmungen auch zur Förderfähigkeit – denn die Mitgliedstaaten haben hier viel Spielraum erhalten.
Und dann kassiert das Sächsische Finanzministerium als Prüfbehörde mit eigenen Maßstäben viele Vereinfachungen wieder ein.

Konsequenz: Etliche Projektträger in Sachsen haben deswegen nicht alle Ausgaben anerkannt bekommen, weil sie auf die großzügigen Auslegungen vertraut haben und dann nach Kontrollen durch das Finanzministerium Probleme bekamen.

Schauen wir aber mal nach vorn:

Was in ihrem Antrag völlig unberücksichtigt bleibt, ist die Ausgestaltung der Programme. Die inhaltliche Diskussion. Das sind doch die interessanten Zukunftsfragen, viel mehr als die Programmverwaltung.

Sie vergessen den wichtigsten Punkt: die Beteiligung der Akteure an der Meinungsbildung. Sachsen kann sich bei der Programmierung einbringen und die Wünsche aus den Regionen aufnehmen.
Bei der Programmierung der letzten Programme waren kommunale Akteure, Umwelt- und Sozialpartner nur formal beteiligt. Einen breit angelegten Prozess der Meinungsbildung gab es nicht. Das können wir dieses mal anders machen.

Inhaltlich können wir den grenzüberschreitenden Klimaschutz in den Blick nehmen. Gerade für Programme in der Lausitz werden die Auswirkungen des Kohleausstiegs von zentraler Bedeutung sein. Auch wenn in Polen zur Kohle noch ein anderes Verhältnis herrscht, werden die Folgen auch dort zu spüren sein, wenn Milliarden an Kompensationsmitteln in der Lausitz investiert werden.
Dies sollte hier bei den grenzüberschreitenden Programmen mit bedacht werden, damit die Investitionen sich auch positiv nach Polen hin auswirken können.

Und ein Dritter Vorschlag zur Weiterentwicklung:

Wenn europäische Mittel vorhersehbar sinken, trifft das nicht zwangsläufig die Beteiligung von Landeseinrichtungen an den Programmen. Aber für kleinere Gemeinden und Vereine könnten die Programme dann unattraktiv werden.
Sachsen könnte prüfen, ob es ein „Landesprogramm europäische territoriale Zusammenarbeit (Interreg)“ auflegt. Damit würde nicht-staatlichen sächsischen Akteuren die Teilnahme erleichtert. So könnten dann auch deutsch-tschechisch-polnische Projekte gefördert werden. Das wäre doch hier im Dreiländereck ein guter Weg und das würde die wichtige zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit stärken.

Vielleicht können Sie von der Koalition irgendwann auch einmal ihren Blick weiten. Und nicht nur die EU-Fördermillionen in Sachsen, die Wirtschaftskennzahlen und die Programmverwaltung im Blick haben. Sondern die europäische Zusammenarbeit, die Stärkung der nachbarschaftlichen Beziehungen. Das wäre ein echter Gewinn für unser Land.