Rede zum Sanierungsstau an Hochschulen

Rede der Abgeordneten Claudia Maicher zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion: „Keine Verschleierungstaktik auf Kosten der Bildung − Sanierungsbedarf der sächsischen Hochschulen klar beziffern“
59. Sitzung des Sächsischen Landtags, 31. August, TOP 13, Drs. 6/10470

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen,

unser Finanzminister legt derzeit eine überraschende Reiseaktivität an den Tag. Pünktlich zum Bundestagswahlkampf ist er schwer damit beschäftigt an Sachsens Hochschulen fleißig rote Bänder zu zerschneiden. Die Hochschule Zittau/Görlitz darf sich über ein neues Lehr- und Verwaltungsgebäude freuen. Und die Fertigstellung des Paulinums an der Universität Leipzig hat der Finanzminister gleich einmal für eine voreilige Bauabschlussfeier genutzt, bemerkenswerter Weise unter ausschließlicher Beteiligung diverser CDU-Größen. Das Gebäude wird zwar eigentlich erst im Dezember von der Uni Leipzig eröffnet, aber die Aussicht, sich mitten im Wahlkampf als Finanzminister inszenieren zu können, der bauliche Großprojekte voranbringt, war dann wohl doch zu verlockend.

Beeindruckende 117 Millionen Euro hat dieser Neubau gekostet, doppelt so viel, wie ursprünglich veranschlagt. Aber das ficht Herrn Prof. Unland nicht an. Viel interessanter ist die Tatsache, dass der Finanzminister das ausschließlich bei prestigeträchtigen Bauten so zu sehen scheint. Sobald es um die Sanierung und Instandhaltung der ganz normalen, alltäglich benötigten Hochschulinfrastruktur geht, erlahmt der Elan des Finanzministers merklich. Ich erinnere nur an die Theologische Fakultät in Leipzig. Eigentlich war seit 2012 geplant, dass sie in ein anderes Gebäude umzieht, was zunächst instand gesetzt werden muss. Bis zur Fertigstellung wurde die theologische Fakultät in einem Interimsgebäude untergebracht, das, wie sich schnell herausstellte, überhaupt nicht für den Lehrbetrieb geeignet war. Gut, es sollte ja auch nur ein Provisorium sein. Es gab nur einen Haken – für die Sanierung des angedachten Gebäudes war über Jahre gar kein Geld eingestellt. Und hätte der Landtag bei den letzten Haushaltsverhandlungen auf Initiative meiner Fraktion nicht interveniert, wäre es dabei auch geblieben.
Die benötigten 4,3 Millionen Euro für die Sanierung des Gebäudes für die theologische Fakultät wollten Sie, Herr Unland, einfach nicht rausrücken. Es wäre eben nur eine Sanierung gewesen, kein schöner neuer Prachtbau, den man mit viel TammTamm eröffnen könnte.

Natürlich kann man jetzt sagen, dass Geld nun mal nicht unbegrenzt vorhanden ist und Prioritäten gesetzt werden müssen. Ich bin sicher, dass wir das im Laufe der Debatte auch noch zu hören bekommen werden. Das stimmt, umso ärgerlicher ist es, wenn Förderung in Millionenhöhe liegen bleibt, wie wir es im letzten Haushalt bei den BAföG-Geldern gesehen haben.

Die weitaus bitterere Wahrheit ist aber, dass diese Art der Leuchtturmfinanzpolitik in Sachsen System hat. Was schön und neu funkelt, wird gemacht, während der Bestand stiefmütterlich behandelt wird. Das sehen wir auch in anderen Bereichen aber bei den Hochschulen ist es mehr als deutlich. Und das sage nicht ich Ihnen, sondern der sächsische Rechnungshof in aller Deutlichkeit.

Im Jahresbericht für 2016 stellt der fest, dass sich allein an der Uni Leipzig ein Sanierungsbedarf in Höhe von 140 Millionen Euro angestaut hat. Im Jahr zuvor hatte sich der Rechnungshof die TU Dresden angeschaut und hier sogar einen Sanierungsbedarf von 500 Millionen Euro ausgemacht. Damit existiert an nur zwei von 14 sächsischen Hochschulen ein Sanierungsbedarf, der das gesamte Baubudget, dass wir für 2017 im Haushalt für den Hochschulbau eingeplant haben um 540 Millionen übersteigt. Wie konnte es soweit kommen? Auch auf diese Frage hat der sächsische Rechnungshof eine eindeutige Antwort, ich zitiere exemplarisch aus dem Bericht zur Uni Leipzig: >>In den Jahren 2009 bis 2015 wurden lediglich zwischen 3,6 und 4,7 Millionen Euro als Bauunterhaltsmittel im Haushaltsansatz pro Jahr bereitgestellt, obwohl der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) einen deutlich höheren Finanzbedarf geltend gemacht hat. Eigene Berechnungen des Sächsischen Rechnungshofes […] zeigen Bauunterhaltsbedarfe für die Universität Leipzig zwischen rund.10,2 und rund. 15,3 Mio. Euro pro Jahr.<<

Man kann es nicht schönreden. Diese Zahlen sind alarmierend.
Übrigens auch bei der Berufsakademie: auch dort hat die Kluft zwischen angesammelten Bedarf und bewilligten Baumitteln allein im Jahr 2016 312.000 Euro betragen.

Was aber noch schlimmer ist, diese Zahlen sind dem Finanzministerium schon lange bekannt. Die Bedarfszahlen wurden vom staatseigenen SIB gemeldet. Sie landen aber regelmäßig im Giftschrank des Finanzministers. Es ist ihm nicht in den Sinn gekommen, den Landtag, als Haushaltsgesetzgeber, über die desolate Lage bei der Baufinanzierung unserer Hochschulen zu unterrichten.

Schlimmer noch, selbst nachdem der Rechnungshof auf das Problem aufmerksam gemacht hat, scheut Herr Unland Transparenz weiter, wie der Teufel das Weihwasser. Ich habe zwei Anfragen an das Finanzministerium gestellt, die eine ganz einfache Frage zum Inhalt hatten. Ich wollte wissen, welcher Baubedarf seit 2009 für die anderen sächsischen Hochschulen und für die Berufsakademie gemeldet wurden. Was ich als Antwort erhalten habe, spottet jeder Beschreibung und zeigt, welche Achtung der Finanzminister dem Parlament hat. Statt endlich Farbe zu bekennen, wollte mir das Finanzministerium erklären, wie die Aufstellung des Doppelhaushaltes funktioniert. Danke, Herr Unland, aber das weiß ich als Abgeordnete des sächsischen Landtages. Was ich – und das Parlament − nach wie vor allerdings nicht wissen ist, wie hoch der Baubedarf an unseren Hochschulen tatsächlich ist. Ich weiß nur, dass die Aussage des Finanzministeriums, dass der Sanierungsbedarf in voller Höhe im Haushalt abgedeckt wäre, eine finanzpolitische Märchenstunde ist.

Und deshalb ist unser Antrag so wichtig und dringend notwendig. Wir fordern, dass endlich reiner Wein eingeschenkt wird, was die tatsächlich benötigten Baumittel an den Hochschulen und der Berufsakademie anbelangt. Wir wollen wissen, welcher Baubedarf in den letzten acht Jahren tatsächlich vorhanden war. Der Landtag und die Öffentlichkeit haben ein Recht darauf zu erfahren, wie groß die Lücke bei den Sanierungen wirklich ist. Außerdem erwarten wir, dass das Finanzministerium seine Kopf-in-den-Sand Politik aufgibt und gemeinsam mit den Hochschulen ein Konzept erarbeitet, aus dem klar hervorgeht, mit welchen Maßnahmen und bis wann der Sanierungsstau aufgelöst werden kann. Dieses Konzept muss vor den nächsten Haushaltsverhandlungen vorliegen. Es ist ganz klar, dass es nicht von heute auf morgen gelingen wird, die Versäumnisse aufzuholen. Baumaßnahmen müssen geplant, in Auftrag gegeben und durchgeführt werden, so etwas braucht Zeit. Aber wir brauchen eine realistische Zeitschiene, die aufzeigt, bis wann das möglich sein würde. Und schließlich ist das Parlament nicht nur dazu da, den Haushalt zu beschließen, wir kontrollieren auch die Staatsregierung. Deshalb fordern wir, dass dem Landtag künftig einmal pro Jahr ein Fortschrittsbericht vorgelegt wird, aus dem hervorgeht, wie es um den Sanierungsstau an den Hochschulen bestellt ist.

Herzlichen Dank.