Europäischer Mehrjähriger Finanzrahmen – EU ist mehr als nur Geldbringerin für Sachsen!

Rede der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD: „Europäischer Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR): Stärkung und Zusammenhalt der europäischen Regionen mit Hilfe einer zukunftsorientierten Kohäsionspolitik nach 2020 sicherstellen“ (Drs. 6/13361)
72. Sitzung des Sächsischen Landtags, 30. Mai, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir sprechen heute über den Europäischen Mehrjährigen Finanzrahmen und die Kohäsionspolitik. Das kann man machen, da die Kohäsionspolitik ein wichtiger Baustein für Sachsens Entwicklung in Europa ist.

Ich muss jedoch gleich im ersten Punkt des Antrages widersprechen: Kohäsionspolitik ist nicht das entscheidende Instrumentarium, um den Zusammenhalt der europäischen Regionen zu unterstützen.

Ich sehe da eher das gemeinsame Europäische Wertefundament. Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte. Das hält Europa bisher eng zusammen. Das sollte uns bewusster sein.

Die Kohäsionspolitik fördert auch nicht automatisch in allen europäischen Regionen Innovation, Wettbewerbsfähigkeit, Bildung und nachhaltiges Wachstum.
Dafür muss sie neu gedacht und stärker als bisher an Nachhaltigkeitskriterien gekoppelt werden. Ausgaben sollten zukünftig darauf geprüft werden, wie klimafreundlich oder schädlich sie sind; welchen Beitrag sie zur Beschäftigung und sozialen Stabilisierung in den Regionen leisten.

Auch die zweite Feststellung des Antrages ist aus meiner Sicht falsch.

Kohäsionspolitik ist nicht das wirkungsvollste Instrument, um bei den Bürgern direkt vor Ort den Mehrwert gemeinsamen europäischen Handelns sichtbar zu machen und zu vermitteln – wie sie schreiben.
Sie beschränken sich hier. Wo Offenheit, neue Ideen, Beteiligung, auch jenseits der finanzpolitischen Fragen gefordert sind.

Ich sehe an vorderster Stelle die europapolitische Bildung, den europäischen Austausch oder die Grundfreiheiten.

Die Absicht der Kommission, Erasmus+ und das Forschungsprogramm aufzustocken ist richtig. Auch mehr jungen Sachsen soll ein Austausch innerhalb Europas ermöglicht werden. Davon profitiert Sachsen – das ist Europa!
Es ist zu kurz gedacht, wenn Sie den Sachsen Europa immer nur als etwas nahe bringen, was Sachsen Geld einbringt. Sie schielen immer nur aufs Geld! Die Europäische Union ist mehr und sie kann mehr!

Sachsen hat sich wirtschaftlich gut entwickelt, nicht zuletzt durch die vielen EU-Fördermittel. Das finde ich gut. Aber nehmen Sie ihre eigene landespolitische Verantwortung endlich ernst.

Kümmern Sie sich um die Entwicklung der ländlichen Räume, die sie schamhaft im Stich gelassen haben in den letzten Jahren. Sie haben sich immer nur auf die EU-Förderprogramme verlassen und jetzt klammern Sie sich verzweifelt an den Erhalt der Programme.

Wir GRÜNE appellieren seit Jahren daran, dass Sachsen EU-geförderte Projekte nicht zum Ersatz für Kernaufgaben des Freistaates macht. Der Mehrwert von EU-geförderten Maßnahmen muss deutlich hervorgehoben werden.

Wir müssen uns jetzt Gedanken darüber machen, wie wir mit europäischem Fördergeld intelligent und effektiv umgehen wollen. Dazu finde ich in Ihrem Antrag leider nichts!

Wo will Sachsen hin?
Wie will es sich für die Zukunft wandeln?
Darüber müssen wir reden.

Und die Regierungen der Mitgliedsstaaten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden, nationale Egoismen hinten anstellen und ihren Anteil zahlen.

Ich freue mich, dass auch Sie fordern – Zitat: „…dass sich der Bund dafür stark macht, die EU mit hinreichenden Mitteln für ihre Aufgabenerfüllung auszustatten.“ Dieser Forderung stimmen wir zu. Deutschland darf sich – aus eigenem Interesse – keinen schlanken Fuß machen.

Eine selbstbewusste Europäische Union darf zudem nicht nur von der Zahlungsmoral ihrer Mitglieder abhängig sein, Einnahmequellen wie eine EU-Digitalsteuer für Digitalkonzerne, Steuern auf Plastik und der CO2-Steuer sind der richtige Ansatz.

Wir Grüne bekennen uns zu einer starken Europäischen Union.
Wir wollen eine EU, die Zukunftsfragen löst, und ein Europa, in dem Regionen ihre Verantwortung wahrnehmen und durch die EU gestärkt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sehen auch die Europäer so. Laut aktuellen Eurobarometer denken über zwei Drittel der EU-Bürger und sogar 75 Prozent der Deutschen, dass ihr Land von der EU-Mitgliedschaft profitiert. Dies sind die höchsten Werte seit 1983!
Über 70 Prozent der Deutschen geben zudem an, dass sie denken, dass ihre Wünsche und Vorstellungen innerhalb der EU Gewicht haben.

Das sind positive Signale der Menschen an die Europäische Union und an uns als Sächsischer Landtag.

Für uns GRÜNE ist die EU kein rein ökonomisches Renditeprojekt. Uns geht’s nicht nur darum wie viel wir rausbekommen.

Für uns stellt sich vielmehr die Frage: Wie und Wofür sollen die EU-Fördermittel in Sachsen ab 2021 konkret eingesetzt werden zur Stärkung der Regionen und damit zur Stärkung der EU?

Darüber sollten wir weiter reden. Zu ihrem Antrag werden wir uns enthalten, da er zu kurz und einseitig gedacht ist.