Bildungspaket – unzustellbar an Absender zurück!

unzustellbares Bildungspaket

In Sachsen haben rund 220.000 Kinder und Jugendliche einen Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Nach Angaben der Kommunen wurden jedoch bis Ende Mai erst für 20 Prozent der berechtigten Kinder und Jugendlichen ein Antrag für Mittagessen, Klassenfahrten, Nachhilfe oder Kulturangebote gestellt. Auch in den Landkreisen läuft die Beantragung schleppend. Für die meisten hat sich nach Inkrafttreten der zusätzlichen Bildungsleistungen also nichts geändert.

Anderthalb Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelleistungen im SGB II steht fest, dass das Bildungspaket ein Flop ist. Jetzt zeigt sich, was abzusehen war. Die Leistungen kommen bei den Adressaten nicht an. Viele Eltern wissen nicht, welche Leistungen ihren Kindern zustehen, wo sie diese beantragen können und welche Fristen eingehalten werden müssen.

Die Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier äußerte sich in seiner Urteilsbegründung im Februar 2010 so: “Die Regelleistungen sowohl des Arbeitslosengeldes II für Erwachsene als auch des Sozialgeldes für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres genügen dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht.“

Die Reaktion der Bundesregierung auf das Urteil war ein monatelanges Schweigen. Dann folgte das eilig gezimmerte Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder in Familien mit ALG II Bezug und der Vorschlag den ALG II-Regelsatz um 5 Euro zu erhöhen. Die Erhöhung der Kinderregelsätze wurde kategorisch abgelehnt.

In den folgenden Verhandlungen konnten wir GRÜNEN einen wichtigen Punkt durchsetzen. Nicht nur Kinder im Rechtskreis des SGB II sind nun leistungsberechtigt, sondern auch die, deren Eltern Wohngeld oder Kinderzuschlag beziehen. Somit werden Kinder von Geringverdienern einbezogen.

Das gesamte Verfahren war jedoch ein Armutszeugnis. Mit ihrem unwürdigen Gescharre um die verfassungsrechtlich angemahnten Teilhabechancen haben sich Bundesregierung und SPD auf ein Paket geeinigt, was heute in der Praxis völlig an den berechtigten Kindern und Jugendlichen vorbeigeht. Das Bildungspaket ist unzustellbar und gehört an den Absender zurückgesendet.

Die Bundesregierung war nicht bereit, nennenswert in die soziale Infrastruktur zu investieren. Das ist ein Fehler, der gerade diejenigen um Teilhabechancen bringt, die auch bisher schon am weitesten von Musikschulen, Fußballvereinen und Theatergruppen entfernt waren. Anstelle die Sozialarbeit zu fördern und Angebote zu den Berechtigten zu bringen, verhindern Bürokratie, Komplexität und fehlende Informationen die Nutzung. Statt Nachhilfe zu finanzieren, sollten Ganztagsschulen und Lernförderung in den Schulen gestärkt werden.

Doch gerade beim Erhalt der wichtigen Teilhabestrukturen lässt Sozialministerin Clauß im Streichquartett mit Finanzminister Unland die Kommunen und Landkreise allein. Echte Förderung von Kultur, Sport, Musik und Freizeit geht nur dort, wo Träger existieren können. Mit den massiven Kürzungen im letzten Jahr und dem aktuellen Doppelhaushalt können vielerorts, gerade in der Fläche, Angebote nicht mehr bereitgestellt werden. Durch die dramatischen Einschnitte bei der Jugendpauschale können viele Landkreise und Kommunen nicht mehr Angebote wie z. B. Schulsozialarbeit zu fördern. Doch gerade diese niedrigschwelligen Angebote sind da, wo auch die Kinder mit ihren Bedürfnissen und Problemen sind.

Die Kommunen werden vom Bund und Land im Ungewissen gelassen. Sie müssen jeweils eigene Umsetzungsrichtlinien festlegen, denn der Freistaat hat bisher keine eigene Position zur Umsetzung und zur Auslegung des Gesetzes vorgelegt. Ungeklärte Rechtsfragen verhindern eine zeitgerechte und rechtskonforme Umsetzung des Pakets. Außerdem hat sich die Bundesregierung einen komplizierten und bürokratischen Ausgleichsmechanismus über die „Kosten der Unterkunft“ für ALG II-Bezieher ausgedacht. Wir Grünen haben dafür gestritten, dass die Kommunen für diese neuen Aufgaben auch tatsächlich das Geld vom Bund bekommen – und zwar in der Höhe, in der sie es zur Erfüllung der vom Verfassungsgericht formulierten Ansprüche der Kinder brauchen.

Das Bildungspaket hat nichts daran geändert, dass die aktuelle Sozial- und Bildungspolitik der schwarz-gelben Regierungen in Bund und Land viele Kinder und Jugendliche ausschließt. Das können und wollen wir uns nicht leisten, denn die Herausforderungen der Zukunft brauchen jedes Talent.